Assassin’s Creed Shadows bietet euch noch vor Beginn des Spiels – neben zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten zur Zugänglichkeit – eine ungewöhnliche Option. Ihr könnt wählen, ob ihr in der Story eigene Entscheidungen treffen wollt oder ob ihr auf den sogenannten Linearen Modus (im Vorfeld auch Kanon-Modus genannt) zurückgreift.
Dieser erlaubt es euch, eine vorgegebene und innerhalb der Assassin’s Creed-Lore kanonische Geschichte zu erleben. In einer Zeit, in der ihr in Action-Adventures und Rollenspielen in fast jedem Gespräch mehrere Antwortmöglichkeiten habt und mit euren Entscheidungen den weiteren Verlauf beeinflusst, eine fast neuartige Erfahrung.
Assassin’s Creed Shadows: Wer lebt, wer stirbt? Ihr entscheidet (nicht)
Ubisoft will mir das Spielerlebnis von Assassin’s Creed Shadows wohl so authentisch wie möglich machen. Im immersiven Modus sprechen die Charaktere ihre Landessprache – die meisten also Japanisch, Yasuke a.k.a. Diogo und seine (anfänglichen) Herren Portugiesisch. Ich genieße mit deutschen Untertiteln.
Auch den Erkundungsmodus schalte ich natürlich an: Questziele werden mir nicht sofort markiert, sondern ich muss auf der Karte eine Region auswählen, in die ich zunächst Späher ausschicke, die mir dann ein ungefähres Ziel anzeigen. So ist dieses Spielerlebnis laut Erklärung auf dem Bildschirm gedacht.
Beim „Linearen Modus“ überlege ich kurz – eigentlich mag ich es, viele Antwortmöglichkeiten zu haben und so meinen Charakter zu formen, die Story oder sogar die ganze Spielwelt zu beeinflussen. Ob Mass Effect, The Witcher oder Avowed – viele Videospiele leben davon. Es muss aber einen Grund haben, denke ich, warum Assassin’s Creed Shadows eine alternative Option anbietet, deshalb wähle ich sie aus.
Welche Konsequenzen erwarten mich (nicht)?
Als Konsequenz weiß ich natürlich nicht, wie das Spielerlebnis sich langfristig anfühlt, wenn ich meine Entscheidungen selbst treffen kann oder in wie vielen Situationen das überhaupt zum Tragen kommt. Ich sehe nur: Naoe und Yasuke haben ihren Weg und den gehen sie. Die Shinobi ist auf ihrem Rachefeldzug gegen die zwölf Mitglieder des Wahren Bakufu, und deren potenzielle Eliminierung gestaltet sich sehr unterschiedlich. An dieser Stelle spreche ich mal eine kurze Spoiler-Warnung (zumindest für die ersten etwa zehn bis zwölf Spielstunden) aus.
Eine Situation befördert mich plötzlich in eine Quest, in der viel Dialog stattfindet, ich mehrere neue Charaktere treffe und an dessen Ende Naoe eines der Mitglieder aus dem erwähnten zwölfköpfigen Kreis erschießt. Ohne einen Kampf, ohne Schleichen und Erkunden und ohne, dass ich zehn bis zwanzig Wachen in einem Unterschlupf ausschalten muss. Da wurde mir klar, dass das wohl ein Abschnitt ist, in dem ich ohne den linearen Modus mehrere Entscheidungsmöglichkeiten gehabt hätte und vielleicht sogar am Ende die Option, meine Zielperson zu verschonen.
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Entscheidend gegen Entscheidungen entschieden
Tatsächlich war das für mich aber sehr erfrischend. Generell laufen die Missionen – ob Haupt- oder Nebenquest – in Assassin’s Creed Shadows nämlich sehr ähnlich, bisweilen sogar repetitiv ab: Sich durch Burgen und Paläste schleichen, hier und dort möglichst unentdeckt und kreativ meucheln und am Ende einen Obermotz vor der Klinge zu haben, der mir einen etwas längeren Kampf liefert.
Entspannung gibt es also nur beim Ritt durch die Reisfelder, Spaziergang durch die Bambushaine oder beim Gebet in den zahlreichen Schreinen – da freue ich mich auf die Szenen, in denen es zu längeren Dialogen kommt, und ich nichts dazu beitragen muss. Etwa Naoes und Yasukes gemeinsames Lagerfeuer mit Sake oder ihren Besuch beim Sumo-Wettkampf, während dem sie einen unverhofften Gast treffen.
Ich hatte nicht das Gefühl, bei diesen Gelegenheiten etwas zu verpassen, weil ich keine eigenen Dialogentscheidungen treffen darf. Die Story ist zwar nicht makellos, in manchen Szenen sogar schwer nachvollziehbar, aber das ist sie auch mit Entscheidungsmöglichkeiten, wie ihr in unserem Test zu Assassin’s Creed Shadows lesen könnt.
Mein Appell: Gerne mehr „Kanon-Modi“
Die bewusste Entscheidung, Entscheidungsfreiheit abzugeben, finde ich in Spielen, in denen sich kreative Köpfe viele Gedanken um eine Story gemacht haben, gar nicht so schlecht. Naoe und Yasuke sind eigenständige Charaktere mit eigenen Motivationen, Ansichten, Prinzipien und Gefühlen und es ist okay, wenn ich als Spieler darauf keinen Einfluss nehme.
Die Handlung ist in einen Rahmen gebunden, der auf historischen Ereignissen basiert – wer bin ich, diesen sprengen zu wollen? Ich empfehle auf jeden Fall allen, die Assassin’s Creed Shadows spielen wollen, dem linearen Modus eine Chance zu geben. Aber Obacht: Diese Entscheidung könnt ihr nach Spielstart nicht mehr rückgängig machen. Im Gegensatz zu den Fokussierungen im Skill Tree, wie ihr hier lesen könnt.