Eigentlich würde ich gerade gerne einfach Monster Hunter Wilds genießen: Fette Viecher jagen, mir aus ihren Extremitäten schicke Rüstungen schneidern und die große Open World aufsaugen.
Doch etwas nagt an mir. Etwas, das ich einfach nicht mehr ignorieren kann und raustragen muss: Warum Capcom? Warum beleidigt ihr mich bei einem Vollpreistitel wie Monster Hunter Wilds abermals mit dreisten Mikrotransaktionen? Und es ist nicht das erste Mal, dass das Unternehmen zusätzliche Inhalte für echtes Geld anbietet, die doch eigentlich im vollständigen Spiel enthalten sein sollten.
Monster Hunter Wilds: Wenn der Charakter-Editor zur Geldfalle wird
Denn Monster Hunter Wilds hat leider erneut eine Art von Mikrotransaktion, die mich schon bei World auf die Palme gebracht hat. So könnt ihr zu Beginn des Spiels eure*n Jäger*in und Palico im Charakter Editor erstellen und habt dabei Zugriff auf eine ganze Menge Optionen: Von der Frisur und Haarfarbe über die Größe eurer Iris und den Winkel der Nasenspitze.
Seid ihr damit durch und ins Spiel gestartet, könnt ihr euren Charakter einmalig mit einem speziellen Bearbeitungsgutschein verändern – und müsst danach zur Brieftasche greifen. Zwar sind noch einige Änderungen möglich, die beschränken sich aber auf Aspekte wie Haarfarbe, Frisur oder Bartwuchs und erlauben nur kleine Anpassungen. Wollt ihr eine Rundumsanierung eures Charakters vornehmen, bleibt nur der Besuch im jeweiligen Online-Store, um einen der erwähnten Gutscheine zu erstehen.

Drei Stück für euren Charakter könnt ihr auf der PlayStation beispielsweise für 6,99 Euro erstehen, für euren Palico müsst ihr allerdings extra löhnen. Wollt ihr gleich beide Varianten, erwartet euch ein Doppelpack für 9,99 Euro, bei dem ihr immerhin vier Euro spart – wie großzügig! Als wäre es noch nicht genug, dass ihr euren Charakter nicht zu jeder Zeit ganz nach eurem Geschmack neugestalten könnt, stülpt Capcom dieses System noch in ein extrem bizarres Korsett.
Jedes Gutschein-Bundle ist nämlich nur ein einziges Mal kaufbar. Das bedeutet im Klartext, dass ihr insgesamt nur acht Mal (einmal am Anfang, ein Gratis-Gutschein und dann sechs kostenpflichtige) euren Charakter vollumfänglich anpassen könnt und dann NIE WIEDER. Mag sein, dass die wenigsten so oft zurück in den Editor gehen, aber alleine die Existenz dieser Limitierung widerspricht wirklich jeder Logik.
Capcoms geldgierige Vergangenheit
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Vollpreistitel von Capcom Spieler*innen die Möglichkeit beschert, weiteres Geld für zusätzliche Inhalte auszugeben. Und ich rede hier nicht etwa von umfangreichen DLCs wie Iceborne für Monster Hunter World oder Separate Ways für Resident Evil 4. Die bringen wenigstens wirklich neue Gameplay-Inhalte mit und sind keine beschnittenen Komfortfunktionen, mit denen man Spieler*innen zur Kasse bittet.
Auch in Monster Hunter World gab es nämlich bereits die eingangs erwähnten Bearbeitungsgutscheine für euren Charakter und Palico. Ebenfalls kostenpflichtig, ebenfalls nur jeweils einmal verwendbar, also endlich. Eine derart bescheuerte Strategie, bei der man auf der einen Seite den Spieler*innen das Geld aus der Tasche zieht und sich gleichzeitig aber in seinen Profiten beschränkt, ist mir zuvor noch nicht untergekommen.
Verspätete Mikrotransaktionen, um die Wertung nicht zu schmälern
Aber es geht noch schlimmer, beispielsweise bei Resident Evil 4. Dort entschied man sich nämlich dafür, knapp zwei Wochen nach Release und damit nachdem die Presse längst ihre Wertungen vergeben und sich das Spiel vier Millionen Mal verkauft hatte, Mikrotransaktionen einzufügen – wir berichteten. Und nicht nur ein paar hübsche Outfits für Leon oder Ashley, nein: Überaus mächtige, spezielle Waffen-Upgrades konnten Spieler*innen auf einmal kaufen.

Bei 2,99 Euro fing das an, für verschiedene Waffenklassen von A bis F, ausgewählte gab es auch als 3er-Bundle für 6,99 Euro oder als 5er-Bundle für 9,99 Euro. Das Schlimme daran: Von den Spezialupgrade-Tickets gibt es im Spiel nur ein einziges reguläres, und das aus gutem Grund. Es erlaubt euch nämlich, eine Waffe auf ihre maximale Stufe zu bringen, egal wie weit ihr sie bereits verbessert hattet.
Ein überaus starkes, in das Balancing von Resident Evil 4 eingreifendes Upgrade also – und das können Spieler*innen nun durch den Einsatz von echtem Geld kaufen. Verlockend, für diejenigen, die sich mit den Zombie-Herausforderungen schwertun, und damit manipulativ, weshalb die von Capcom nachträglich reingeschummelten Transaktionen in den Bereich der sogenannten Dark Patterns fallen, wie damals auch Dr. Benjamin Strobel auf Twitter feststellte.
Lesetipp: Wie mich Resident Evil vom Angsthasen zum Horror-Fan machte
Doppelt dreist also: Die Mikrotransaktionen hinzuzufügen, lange, nachdem die Reviews online gegangen sind und die Presse das Spiel mit Lobeshymnen überhäufte, ohne auf die zu dem Zeitpunkt noch nicht vorhandenen Echtgeld-Käufe hinweisen zu können. Und gleichzeitig Spieler*innen der Möglichkeit zu rauben, es wegen einer solchen Vorgehensweise zu boykottieren. Stattdessen hatte man bereits vier Millionen Mal den Vollpreis eingestrichen, ganz schön hinterhältig.
„Gute“ und schlechte Mikrotransaktionen
Dabei verlange ich von Capcom ja nicht einmal, dass sie die Mikrotransaktionen ganz einstellen. Mit kosmetischen Inhalten Geld verdienen? Naja, nicht unbedingt die feine Art, wo man all diese Dinge ja auch kostenlos ins Spiel implementieren könnte. Aber eben auch kein moralisches Verbrechen, weil es nun wirklich nicht besonders essenziell für das Gameplay-Erlebnis ist, ob da in Monster Hunter nun ein roter Ballon an meinem Großschwert hängt oder nicht.
Doch integrale Aspekte eines Spiels zu beschneiden und diese zu monetarisieren, wie bei meinem Beispiel vom Charakter-Editor in Monster Hunter Wilds und World oder erspielbare Upgrades, die den eigenen Charakter stärker und das Spiel leichter machen wie die Waffen-Verbesserungen in Resident Evil 4, das muss nun wirklich nicht sein. Ganz besonders dann, wenn man bereits satte 80 Tacken für sein Game haben will und das nicht für lau raushaut.
Eine Erweiterung wie Iceborne würde ich allerdings auch für Monster Hunter Wilds mit Kusshand nehmen:
Ich würde also zwischen zwei Arten von Mikrotransaktionen unterscheiden, wobei die eine davon nicht „gut“ sind, wie in der Zwischenüberschrift angedeutet, sondern im Vergleich zu den schlechten, das Gameplay beeinflussenden, maximal tolerierbar. Mir ist schließlich auch bewusst, dass Mikrotransaktionen aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken sind, so traurig das auch sein mag.
Trotzdem gibt es auch hier ein Level an Amoral, auf das man sich als an der Treue der Spieler*innen interessierten Unternehmen vielleicht nicht begeben muss. Um mich vom Schreiben dieser Kolumne wieder abzureagieren, geht es nun ins Verbotene Land zurück, um ein paar Monster zu kloppen. Warum das nämlich abseits einiger Kritikpunkte wie der erwähnten Mikrotransaktionen eine ganze Menge Spaß macht, verrate ich in meinem äußerst umfangreichen Test zu Monster Hunter Wilds.
Quelle: PlayStation Store, Twitter /@GamingPsychologe, YouTube /Monster Hunter