Auf Abwegen und Umwegen
Auch das ist neu: Ihr habt von Anfang an ein klares Ziel, sollt die Spitze der Zitadelle erreichen. Auch wenn diese auf der Karte weit über euch eingezeichnet ist und der Weg erst einmal nach rechts führt, ist es immerhin ein Grund für die unfreiwillige Pilgerreise. Hornet möchte nämlich verständlicherweise wissen, wer ihre Entführer waren. Antworten darauf soll sie nach und nach bekommen – denn auch die Bewohner*innen von Pharloom erkennen, dass sie nicht wie andere Käfer ist.

Dazu gibt es auch Nebenquests, die ihr von versteckten Charakteren in der Welt und auf den Schwarzen Brettern – den Wunschwänden – in den Siedlungen annehmen könnt. Diese reichen von Sammelquests, in der Regel mit einer geforderten Anzahl besiegter Gegner, über optionale Bossgegner bis hin zur Suche nach in der Welt verirrten Charakteren. Aber auch Geldspenden werden hier und da erwünscht.
Diese dürften euch weh tun, denn in der harten Welt von Silksong kostet alles Geld beziehungsweise die als Tauschobjekt begehrten Rosenkranzperlen — die im Gegensatz zur Währung Geo aus dem Vorgänger nicht automatisch von jedem Gegner gedroppt werden. Stationen für die Schnellreise, viele der Bänke zum Ausruhen, natürlich die Gebietskarten von Shakra nagen an eurem hart erbeuteten Vorrat – und auch die Händler*innen bieten nicht gerade Schleuderpreise.
Fehlende Bänke und Banken
Wollt ihr eurer Geld nicht verlieren – was passiert, wenn ihr nach einem Tod nicht wieder zum Ort eures Ablebens zurückkehrt, bevor ihr wieder ins Gras beißt – könnt ihr die Perlen an manchen Automaten oder bei Händler*innen auf ein Armband ziehen lassen. Für eine kleine Gebühr, versteht sich, die aber bei einem drohenden Verlust einer hohen Menge an Perlen verschmerzbar ist. Die Armbänder bleiben jedoch auch nach dem Tod in eurem Inventar und können wieder zerbrochen werden, wenn ihr damit zahlen wollt.

Apropos zahlen: Last but not least zahlen auch die nicht gerade großzügig verteilten Rastbänke auf den Schwierigkeitsgrad ein. Öfters wird es vorkommen, dass ihr nach einem gescheiterten Bosskampf wieder an eurem letzten Speicherpunkt spawnt – der aber gut ein bis zwei Minuten entfernt liegt. Wer also 20-mal an diesem Boss scheitert (*hust* Witwe *hust*) kann ja mal hochrechnen, wie viel Spielzeit für diese kurzen Zwischenwege draufgegangen sind.
Wie schwer ist Silksong denn nun?
Gefahren lauern an allen Ecken und Enden; durch die feindseligen Käfer, Wanzen, Milben und Asseln, die sich euch auf eurem Abenteuer in den Weg stellen; herausfordernde Plattformerpassagen, an denen sich verschiedene Sprung- und Schlagtechniken aneinanderreihen; verwirrende Labyrinthsysteme – vor allem aber die sportlichen Bossgegner.
Mir wirkte Hollow Knight: Silkong von Anfang an ungleich schwieriger als der Vorgänger. Vielleicht lag es daran, dass ich den ersten Teil über Wochen und Monate gestreckt habe – mir jetzt aber Bosskämpfe in Massen innerhalb von Tagen entgegen prasseln.

Fehler wie Unaufmerksamkeiten und Ungeduld werden hart bestraft und mindestens die Bosse fügen euch zwei eurer kostbaren Lebenspunkte Schaden zu. Team Cherry hat sogar schon reagiert und mit einem Patch (zunächst nur für den PC) unter anderem die Monster Moorflügel und Schwester Splitter entschärft.
Tatsächlich ist die Niveaukurve zu Anfang ziemlich steil, auch weil nicht immer sofort klar ist, welche Gebiete jetzt optional sind und welche für die Hauptquest zuträglich. Gleichzeitig ist aber auch nicht immer der nächste Boss der schwerste – manchmal dafür umso kreativer, sodass der Fight ehrlich Spaß macht.


Eine wirklich gelungene Review – besonders schätze ich, dass ihr euch Zeit dafür genommen habt. Bereits wenige Stunden nach Release erschienen die ersten Besprechungen, doch hier kommen die Stärken des Spiels zur Geltung, ohne dass vorschnell über Schwächen hinweggegangen wird. Wie man diese am Ende gewichtet, bleibt natürlich jedem selbst überlassen.
Mit den Stärken des Spiels gehe ich vollkommen d’accord. Allerdings sehe ich im Gamedesign einen gravierenden Schwachpunkt: die Laufwege zu den Bossen. Diese wirken nicht nur willkürlich, sondern vor allem überflüssig. Wenn ich bei einem fordernden Bosskampf jedes Mal über eine Minute damit zubringe, eine belanglose Passage erneut abzulaufen, fühle ich mich eher ausgebremst als herausgefordert. Dieses Design stört meinen Spielfluss erheblich und schmälert leider auch die Motivation.
Gerade hier hätte das Spiel die Chance gehabt, als Genreprimus neue Maßstäbe zu setzen und dem altbackenen „Boss-Run“ ein Ende zu bereiten. Diese Gelegenheit wurde jedoch vertan. Ein Bosskampf darf knackig sein – das ist genau das, was ich liebe, und ich stelle mich dieser Herausforderung gerne immer wieder. Die meisten Bosskämpfe in Silksong sind auch sehr gelungen, und das Gefühl stetiger Progression ist ein starker Anreiz. Doch die erzwungenen Laufwege tragen dazu nichts bei – im Gegenteil.
Aus diesem Grund halte ich das Spiel trotz seiner Qualitäten nicht für ein Meisterwerk. Es ist ein großartiges Spiel, keine Frage – doch für den Sprung in diese Kategorie fehlt es an einem zeitgemäßen Spieldesign.
Toller Ersteindruck! Schon der Vorgänger war -zumindest für mich- kein Spiel, das man in einer Session durchgerockt hat. Man bekommt bei solchen Sessions irgendwann einen Tunnelblick und würdigt viele Ideen, die das Spiel einem präsentiert, gar nicht mehr.
Deshalb lieber zurücklehnen und genießen