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Silent Hill: Shattered Memories (Action-Adventure) – Silent Hill: Shattered Memories

Silent Hill hat sich seit seinen Anfängen auf der PSone vor mehr als zehn Jahren als eine feste Säule des Survival Horrors etablieret. Qualitativ griff man dabei von „teuflisch gut“ (Silent Hill 2) bis „höllisch unkreativ“ (The Room) ein breites Spektrum ab, bevor man mit Homecoming letztes Jahr ein interessantes Comeback feiern konnte. Mit Silent Hill Shattered Memories wird ein neues Kapitel aufgeschlagen – mit erschreckend einfachen Stilmitteln sowie ungewöhnlichen Erkenntnissen.

© Climax / Konami

Geister von zumeist gewaltsam gestorbenen Einwohnern Silent Hills können mit der Handykamera sichtbar gemacht werden, woraufhin meist eine übersinnliche Nachricht aus der Vergangenheit in Sprach- oder Textform aufs Handy geschickt wird, die einen indirekten und dadurch gleichermaßen verstörenden wie verunsichernden Hinweis auf den Geist und sein Schicksal Preis gibt. Verstörend u.a., weil man nie den Eindruck los wird, dass diese Figur etwas mit dem eigenen Schicksal und der Suche Harrys nach seiner Tochter zu tun hat.

Kein Silent Hill ohne Monster. Aber im Gegensatz zum klassischen Survival Horror gibt es keinen aktiven Kampf, sondern nur die Möglichkeit zur Flucht aus dem Albtraum.
Und mit den atmosphärischen Störungen, die das Handy als Ersatz des Funkgeräts des Originals aufnimmt und die sich bis zu einem die Nerven zum Schwingen bringenden Kreischen steigern, kann man zu bestimmten Punkten geleitet werden, an denen mit einem kleinen Schockmoment eine weitere Text- oder Sprachnachricht die Geschichte der Stadt und Einzelschicksale veranschaulicht.

Das Schöne daran: Climax gibt kein Erzähltempo vor, man erlebt alles so schnell oder langsam, so intensiv oder teilnahmslos, wie man möchte. Und selbst hier haben die Therapie-Sitzungen Einfluss: In einem Durchlauf hat sich beim Betrachten eines Abendkleids eine schüchterne Schülerin vor ihrem Abschlussball zu Wort gemeldet, die einfach nur einen schönen Abend erleben möchte, in einem anderen hat die Kleidbesitzerin ihrer Freundin am Telefon von ihren frivolen Fantasien erzählt.

Ein weiteres scheinbar belangloses, aber hinsichtlich der Detailfreude nicht zu unterschätzendes Gimmick sind die knapp 40 Telefonnummern, die man überall in der Stadt auf Plakaten, Notizblöcken usw. finden kann. Alle wurden (wenngleich manchmal nur mit Anrufbeantwortern, die auf die bescheidene Wetterlage eingehen) mit Reaktionen versehen. Zwar kann man wie bei den normalen Dialogen auch hier keinen Einfluss auf die Unterhaltung nehmen, doch es ist ein gutes Mittel zum Zweck, um eine scheinbar ausgestorbene Stadt mit Leben zu füllen.

Hilfloser Albtraum

„Jetzt mal bitte auf Anfang. Silent Hill war doch immer ein Survival Horror-Spiel. Was ist denn jetzt damit?“ Das ist eine berechtigte Frage. Und so ganz kann und will sich Climax nicht von diesen Wurzeln lösen. Aber auch hier ist alles anders als man erwarten könnte: Gegen den Strich gebürstet und damit gewöhnungsbedürftig, sperrig – etwas, das mir richtig gut gefällt.

Immer wieder ist man passiv als Gesprächspartner dabei – leider kann man den Dialogverlauf nicht aktiv beeinflussen.
Denn zum einen entsteht der Horror wie bei kaum einem anderen Spiel im Kopf. Das Wissen um das Verschwinden von Cheryl, die teils merkwürdigen Charaktere, denen man begegnet, die Hinweise, die man sammelt und nicht zuletzt die mitunter sehr offenherzigen und aggressiven Therapiesitzungen sorgen für eine nahezu unheimliche Sensibilisierung für alles, was um einen herum passiert. Ständig habe ich mich bei der Frage ertappt, ob die eine oder andere Antwort oder die eine oder andere Entscheidung ein positiveres Ergebnis hervorgerufen hätte.

Und irgendwann bricht der Albtraum plötzlich los: Visuell beeindruckend wird die komplette Umgebung in einem kalten Blau eingefroren, sie verändert sich und jetzt hat man mit Harry nur noch ein Ziel: Diesem Albtraum zu entfliehen. Hellblaue Streifen helfen bei der Orientierung und zeigen Wege, Türen und Hindernisse an, die man überqueren oder durchschreiten kann. Und auf einmal ist der Horror nicht nur gedanklich zu fassen, sondern auch im Nacken zu spüren – gesichtslose Albtraumwesen, über deren Aussehen wiederum die Therapiesitzung entscheidet, jagen Harry auf Gedeih und Verderb. Sollten sie ihn zu packen bekommen, klammern sie sich fest und versuchen, ihn zu Boden zu ziehen und zu erlösen. Das Bedrückende an diesen Sequenzen ist, dass man nicht aktiv gegen diese Wesen kämpfen, sondern nur versuchen kann, sie abzuschütteln oder wegzulaufen.
In seltenen Momenten kann man sich in einem Schrank verstecken, was wiederum zu sehr intensiven, beinahe atemlosen Augenblicken führt, wenn das statische Rauschen und die Bildstörungen zunehmen und signalisieren, dass sich eines oder mehrere der Wesen der eigenen Position nähern und vielleicht gerade dabei sind, die Schranktür aufzureißen. Doch letztlich zählt nur die Nerven aufreibende Flucht aus diesem düsterkalten Labyrinth.

Der Rhythmus stimmt

Hatte ich während der Vorschau-Version noch die Bedenken, dass mit dem Abspulen der ewig gleichen Elemente „Therapie,

Silent Hill steckt voller geheimnisvoller Figuren.
Stadterforschung, Albtraum, Flucht und dann in der nächsten Szene von vorne“ die Gefahr von Berechenbarkeit und damit Spannungseinbußen bestünden, kann ich mittlerweile Entwarnung geben.

Das Erzähltempo wurde von Climax optimal zusammengestellt. Man kann sich letztlich nie sicher sein, wann der Albtraum losbricht, wann die dringend benötigten Ruhephasen, in denen man fast zu passiv nur als Beobachter unterwegs ist, durch wahlweise geskriptete oder gefundene Events gestört werden oder was in der nächsten Therapiesitzung wieder ans Tageslicht befördert wird – und das alles mit dem nachvollziehbaren Schrecken und Ängsten jedes Vaters im Hinterkopf, das sein Kind nach einem Unfall verschwunden ist und man selber keine Ahnung hat, was passiert ist.
Die Unausweichlichkeit der Ereignisse, die ich durch meine Antworten und mein Verhalten bis hin zum überraschenden Ende beeinflussen, aber nicht aufhalten kann, entfacht eine ungemein packende Faszination, die mich nicht nur aufgrund mancher szenischer Parallelen mehr als einmal an ein Heavy Rain bzw. Fahrenheit in einer Light-Version, garniert mit einem gewaltigen Schuss Psycho-Horror erinnert.