In einer Zeit, in der die meisten Triple-A-Studios auf der Jagd nach der realistischsten Hochglanzgrafik sind, bietet The Midnight Walk vom Entwicklerstudio MoonHood einen der wohl kreativsten Gegensätze. Statt computergenerierter Charaktere erwartet euch hier nämlich echt Handarbeit – und zwar aus Lehm und Ton.
Das sorgt für einen extrem einzigartigen Look, der dem Spiel schon im Vorfeld zurecht einiges an Aufmerksamkeit bescherte. Doch taugt The Midnight Walk auch spielerisch etwas oder erwartet euch hier nur eine eintönige Zurschaustellung von beeindruckenden Lehmfiguren? Unser Test zum Spiel bringt Licht ins Dunkel.
The Midnight Walk: Mit dem Streichholz durch die Nacht
Hört ihr es knistern, knacken? Nach neuem Brennholz lechzen? Nein, natürlich tut ihr das nicht. Denn das Feuer ist längst erloschen, die ewige Nacht hereingebrochen. Also schnappt euch ein paar Augen und Ohren, um eure Reise durch das Dunkel zu beginnen und selbst dafür zu sorgen, das Licht zurückzubringen. Leichter gesagt als getan, denn der Mitternachtsweg ist tückisch und nur, wenn ihr seinen Bewohner*innen aufmerksam zuhört und die Zusammenarbeit nicht scheut, werdet ihr sein Ende erreichen.

Das ist nämlich eure Aufgabe in The Midnight Walk. Als Verbrannter erwacht ihr eines Tages, zunächst ohne Augenlicht, Gehör, Sinn oder Orientierung. Ihr stolpert durch das Ungewisse, entzündet mithilfe eines Streichholzes ein Lagerfeuer, um das sich seltsame, schweigsame Gestalten gesellen. Dann berührt eure Flamme einen kleinen Tonburschen und haucht ihm erneutes Leben ein: Fortan übernimmt der gehorsame Topfjunge euren Job, indem er auf Knopfdruck aus seinem brennenden Kopf ein Flämmchen verschießt.
Er ist euer komödiantischer Sidekick, der euch mit seinem unbeschwerten Gang, seinen ulkigen Geräuschen und seinem schelmischen Grinsen immer wieder zum Lächeln bringen wird, auch, wenn die Welt um euch herum einsam und verloren wirkt. Zusammen zündet ihr Kerzen an, um Türen zu öffnen, schleicht euch an knochigen Kriechern vorbei oder versteckt euch vor ihnen in herumstehenden Kleiderschränken und schließt eure Augen, um die Stimmen in der Dunkelheit zu hören.
Spaßig, aber simpel
Euch erwartet spielerisch also eine Mischung aus Rätseln, Schleichen und Spazieren, denn ab und an wandelt ihr auch einfach auf dem Mitternachtsweg, lauscht der angenehm tiefen Lagerfeuer-Erzählerstimme und bewundert die schaurig-schönen Figuren und Kulissen. Trotz seines Namens ist The Midnight Walk deutlich mehr als ein Walking Simulator, die Puzzle sind spaßig und einleuchtend, wenn auch in seiner Summe ein wenig unterkomplex. Wirklich nachdenken müsst ihr selten, die meisten Lösungen sind sehr offensichtlich.

Das erspart natürlich Frust, der seichte Rätselspaß wäre alleine aber etwas unterwältigend – andere Aspekte des Spiels, auf die ich später noch genauer eingehe, machen das glücklicherweise wett. Eine innovative Mechanik muss ich allerdings überaus loben, passt sie doch hervorragend zu den Themen von The Midnight Walk und ist mir so noch in keinem anderen Spiel untergekommen.
Augen zu und durch
Ihr könnt nämlich auf Knopfdruck eure Augen schließen, was natürlich – abseits einiger fliegender Funken – in einem schwarzen Bildschirm resultiert. Im Gegenzug für eure Blindheit hört ihr Stimmen, die euch zu versteckten Gegenständen führen, räumt einige Hindernisse aus dem Weg oder verwandelt heranstürmende Gegner in Statuen, um Schalter zu betätigen.

Spielerisch zwar wieder recht simpel, dafür aber äußerst kreativ und noch dazu eine spannende Idee: Ihr verschließt zwar eure Augen vor den Schrecken der Nacht, dürft aber trotzdem nicht vor ihnen weglaufen, sondern müsst ihnen mutig entgegentreten. Eine Botschaft, die sich auch sonst durch The Midnight Walk zieht: Nur, weil alles dunkel und aussichtslos wirkt, muss es das nicht auch sein. Stellt euch euren Ängsten, dann erblickt ihr auch das Licht in der Finsternis und erreicht euer Ziel. Hier werden Narration und Gameplay gelungen kombiniert, anstatt nur für sich zu stehen.