Veröffentlicht inNews

Assassin’s Creed: Größter Irrtum der Reihe jetzt entlarvt – „Hört auf zu lügen“

Dass Notre-Dame noch steht, ist ein kleines Wunder. Ob Assassin’s Creed Unity und Ubisoft dabei mithalfen, wird seit Jahren debattiert.

Eine Bildmontage, in deren Zentrum die Notre Dame-Kirche steht und ein Charakter aus dem Computerspiel Assassin's Creed Unity.
© Ubisoft Entertainment / Ubisoft Montreal / @Lsantilli - stock.adobe.com, Adobe Photoshop [M]

Einführung in die griechische Geschichte

Angesichts der Veröffentlichung von Assassin's Creed Odyssey am 5. Oktober 2018 gibt Jörg im Video eine Einführung in die griechische Geschichte bis zum Peleponnesischen Krieg.

Eines der vielleicht größten Missverständnisse der Assassin’s Creed-Reihe lautet, die Reihe bemühe sich darum, historisch absolut akkurat zu sein. Ist sie aber augenscheinlich nicht – und zwar mit Vorsatz: Etwa Kleopatra war laut Historiker*innen keine verführerische Femme fatale wie in Origins, sondern eine kühl kalkulierende Herrscherin, um nur ein Beispiel zu nennen.

Eines der namhaftesten Irrtümer geht aber andersherum: Der virtuelle Nachbau der Notre-Dame in Assassin’s Creed Unity soll gemäß eines weit verbreiteten Irrglaubens dabei geholfen haben, die weltberühmte Kirche nach dem verheerenden Brand des Jahres 2019 wieder aufzubauen. Laut einer fachkundigen Stimme englischsprachiger Kolleg*innen ist dieser Irrglaube eben genau das – man sehe uns die Wiederholung nach: ein Irrglaube.

Wo Unitys Notre-Dame-Missverständnis seinen Anfang nahm

Veröffentlicht wurde das über fünfminütige Video namens „Hört auf über Notre-Dame in Assassin’s Creed Unity zu lügen“, in dem Simone de Rochefort, Videoproduzentin bei Polygon, erklärt, wie das berühmt-berüchtigte Missverständnis zustande gekommen ist – und wieso die virtuelle Notre-Dame trotzdem ihre ganz eigene Daseinsberechtigung hat. Wie De Rochefort schreibt, war das Nachrichtenmagazin NME seinerzeit eines der ersten Medien, welches mit der Geschichte rund um Ubisoft als Helfer bei der Rekonstruktion von sich reden machte. In dem Artikel heißt es:

„Der französische Publisher Ubisoft soll sich im Besitz der ursprünglichen 3D-Modelle und Fotos befinden, die beim Wiederaufbau der Kathedrale helfen könnten. Ubisoft hat sich noch nicht zu den Behauptungen geäußert, ein vollständiger Restaurierungsplan für Notre-Dame wurde noch nicht bestätigt“

Meldung von NME am 17.04.2024

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von YouTube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

Ungefähr zur selben Zeit war auch die renommierte Tageszeitung The Guardian an Ubisoft herangetreten. Die Sprecherin von Ubisoft machte deutlich, man sei „aktuell nicht an der Rekonstruktion von Notre-Dame beteiligt“. Des Weiteren war dem französischen Publisher wichtig zu betonen, es handele sich „bei dem, was wir für das Spiel [Unity] gemacht haben, nicht um eine wissenschaftliche Rekonstruktion, sondern eine künstlerische Vision“.

Level Designer und Historiker basteln an Notre-Dame

Zum Diskurs gesellt sich ein Blog-Post wie der eines Künstlers aus dem Jahre 2023, die Notre-Dame aus der Spielwelt habe dazu beigetragen, das historische Gebäude wieder auferstehen zu lassen – anscheinend hatte der Autor des Postings keine Verbindungen zu Ubisoft, gibt für seine Behauptungen keinerlei Quellen an.

Apropos generöse Geste: Was Ubisoft damals tatsächlich unternahm, war, einen sechsstelligen Betrag zu spenden.

Click here to display content from twitter.com

Im Jahr 2019 dann wurde im Zuge des Branchenevents Siggraph ein Interview mit Caroline Miousse veröffentlicht. Miousse berufliches Engagement geht nicht nur bis ins Jahr 2006 zurück, sie war bei der Produktion von Assassin’s Creed Unity auch als Senior Level Artist beschäftigt – und sagt über ihre Arbeit am historisch wertvollen Gebäude für Assassin’s Creed Unity:

„Wir konnten eine Menge Blaupausen finden, die uns genau zeigten, wie Notre-Dame gebaut wurde. [Maxine Durand, AC-Historiker] hat mir dabei geholfen, denn er verfügt über das historische Hintergrundwissen. Ich selbst habe tonnenweise Bücher. Auch Google war eine Zeit lang mein bester Freund.“ Während Ubisoft also einerseits Unterstützung von einem Historiker wie Durand erfuhr, hat Miousse selbst „nicht einmal einen Fuß in Notre-Dame gesetzt“, wie Ubisoft damals selbst öffentlich kommunizierte.

Click here to display content from twitter.com

Assassin’s Creed Unity: Mehr Kunst als Geschichtsschreibung

Und während „Blaupausen“ noch halbwegs Authentizität vermuten lässt, spricht „Google“ als Quelle nicht unbedingt für punktgenaue Akkuratesse. Wie stark die Diskrepanz zwischen detaillierter, historischer Rekonstruktion und authentischem Nachbau mit künstlerischen Freiheiten liegt, unterstreicht auch ein Artikel mit der Firma Life3D, die Notre-Dame tatsächlich noch vor dem Feuerausbruch gescannt habe. Im dazugehörigen Artikel von Le Monde heißt es:

„Die Macher von Assassin’s Creed haben tolle Arbeit geleistet. Das sind sehr geschickte Grafiker, die basierend auf Fotos und Plänen arbeiten. […], aber wenn eine Statue zwei Meter höher ist als in Wirklichkeit, ist das für sie [Ubisoft] nicht wichtig. Wir suchen nach millimetergenauer Präzision, arbeiten zusammen mit Ingenieuren und Datenanalysten.“ In eine ähnliche Kerbe schlägt ein in La Presse veröffentlichtes Gespräch mit oben erwähntem Maxime Durand.

Der Assassin’s Creed-Historiker wird zitiert mit den Worten: „Was wir gebaut haben, ist von wunderschöner, künstlerischer Freiheit. Ich kann aber nicht behaupten, dass die Verantwortlichen des Wiederaufbaus bei der Kathedrale zwangsweise an unseren Modellen interessiert waren.“

Am Rande bemerkt: So optisch epochal sieht das in Assassin’s Creed Unity aus, das Monumentalbauwerk zu erkunden.

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von YouTube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

Notre-Dame: Künstlerisch wertvoll im Spiel, architektonisch in echt

Kurz und knapp gesagt: Einerseits war es bei der optisch beeindruckenden und authentisch wirkenden Rekonstruktion von Notre-Dame in Assassin’s Creed Unity eine solche Genauigkeit, die beim Wiederaufbau des tatsächlichen Bauwerks hätte zur Hilfe gereichen können, schlicht nicht nötig. Die Spielewelt ist stark ans Original angelehnt, aber für ein Videospiel ist eine in sich stimmige, kohärente Spielewelt wichtiger, als dass jeder Stein exakt wie beim Original auf dem anderen liegt.

Andererseits waren bei der Sanierung nach dem tragischen Brand „55 Recherche-Teams und Labore über ganz Frankreich verteilt beteiligt“, genauer „Archäologen, Historiker, Kunsthistoriker, Anthropologen, Physiker, Chemiker, Ingenieure, Informatiker“, wie Frankreichs Kulturministerium schrieb – in dem Ubisoft oder Assassin’s Creed Unity übrigens mit keiner Silbe Erwähnung finden.

Ergo: Ja, die Notre-Dame aus Assassin’s Creed Unity war und ist eine künstlerisch beeindruckende Leistung. Dass die tatsächliche Notre-Dame gerettet werden konnte, ist eine nicht minder beeindruckende Leistung – nur eben viel wissenschaftlicher und notwendigerweise genauer. Apropos: Wie Ubisoft die Wiederauferstehung von Notre-Dame wirklich unterstützte: mit einer Geldspende von 500.000 Euro – das gab der französische Publisher auch offiziell bekannt.

Abermals apropos: Wer das viktorianische London jetzt neu erleben möchte, kann zeitgemäße Grafikeffekte über das fast zehn Jahre alte Action-Adventure Assassin’s Creed Syndicate stülpen.

Quellen: YouTube / @Polygon, @awesomePS5games, Twitter / @Ubisoft, @assassinscreed, NME, The Guardian, ArtStation, Ubisoft Blog, Eberhard Karls Universität Tübingen, Le Monde, La Presse

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.