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Bound by Flame (Rollenspiel) – Die Köche, der Brei und das Chamäleon

In der Zeit nach Dark Souls 2 lassen die ganz großen Rollenspiele noch auf sich warten: Der Witcher taucht erst nächstes Jahr wieder auf. Und bis die Inquisition des Drachen-Zeitalters ihre Arbeit aufnimmt, muss man sich noch bis September gedulden. Kann Bound by Flame von Spiders Studio (Mars War Logs) die Lücke schließen?

© Spiders Studio / Focus Home / Koch Media

Das dämonische Rollenspiel-Chamäleon

Wer von euch kennt das Buch „Chamäleon Kunterbunt“ von Eric Carle? Darin geht es um ein Chamäleon, das von den Eigenschaften anderer Tiere in einem Zoo so begeistert ist, dass es diese nachahmt. Und zum Schluss ist es von allem etwas, hat aber auch seinen Charakter verloren. Bound By Flame (BBF) ist genauso. Es bedient sich weitgehend schamlos bei allem, was in den letzten Jahren für Freude bei Rollenspielern gesorgt hat und versucht, es für sich zu vereinnahmen. Das beginnt bereits bei der stereotypen Geschichte: Ein Fantasy-Reich wird von einer dunklen Armee bedroht. Dabei handelt es sich zwar nicht um Halb-Orks, die von einem gewissen Saruman geführt werden. Doch tauscht man die Orks mit Untoten und Saruman mit Schwarzfrost, kommt man den Verhältnissen sehr nahe. In der Rolle des Söldners Vulcan in Diensten der Freien Klingen, der übrigens unabhängig vom gewählten Namen und Geschlecht von allen Figuren nur mit „Vulcan“ angesprochen wird, muss man versuchen, dem nekromantischen Eisfürsten ein Ende zu setzen. Klingt bekannt? Ist es auch – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem man durch ein missglücktes Magie-Experiment von einem Dämon besessen wird. Dieser schenkt einem nicht nur die Kraft der Feuermagie, die man neben einem Zweihandschwert und zwei schnellen Dolchen nutzen kann, sondern beglückt einen auch immer wieder mit philosophischen Diskursen. Und wie es sich für einen Dämon gehört, übernimmt er auch hin und wieder die Herrschaft über den Gastkörper, um seine Stimme nicht nur im inneren Dialog, sondern auch für die Umstehenden zu Gehör zu bringen.

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Der 6000 Jahre alte Mathras ist in einer Horde austauschbarer Mitstreiter eine interessante Ausnahme und belebt die Gespräche immer wieder mit süffisanten Kommentaren. © 4P/Screenshot

Aber offensichtlich hat Spiders nicht auf dieses Element vertraut. Der Dämon und der Konflikt, in den er die Hauptfigur stürzt, werden nur punktuell beleuchtet. Die geheimnisvollen Beweggründe der hermaphroditischen Gestalt, der man leider zu selten in einer Art Zwischenwelt begegnet, verlieren sich irgendwann. Sie werden ersetzt durch Story-Versatzstücke, die man aus anderen Spielen oder Büchern kennt: Die unerfahrene Magierin, die böse (?) Hexe, der Hauptmann, der nach Samurai-Manier in Ehre besiegt werden muss, damit man den Trupp übernehmen kann. Alles wird solide, aber vorhersehbar eingesetzt. Dabei hat der Dämon nicht nur eine erzählerische Funktion, die leider verschenkt bzw. unter Wert verkauft wird. Er soll sich auch auf die Hauptfigur auswirken – quasi eine Variante eines Moralsystems, wobei ein Wachsen der Macht des Dämons sich spielerisch niederschlagen soll. Generell ist diese Idee gut. Nur wieso findet dies nicht graduierlich statt, z.B. wenn man die vom Dämon spendierte Feuermagie nutzt? Man hätte damit im Kampf einen großen Vorteil, muss aber dafür seine Menschlichkeit aufs Spiel setzen – und gewisse Annehmlichkeiten wie die Option, Helme zu tragen, was natürlich nicht geht, wenn einem Hörner wachsen, die aber verbesserte Mana-Regeneration erlauben. Stattdessen finden diese Veränderungen in erster Linie als Ergebnis bestimmter Ereignisse oder Dialoge statt. Da wäre viel mehr drin gewesen. Vor allem auch, da dieses Dämonenelement das einzige Eigenständige in diesem Titel ist – obwohl gewisse Ähnlichkeiten zum ersten Fable-Spiel nicht von der Hand zu weisen sind.

Reichhaltiges Rollenspiel-Buffet

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Keine Angst vor großen Tieren: Das Kampfsystem setzt den Fokus nicht auf Massenkämpfe, sondern auf konzentrierte Scharmützel gegen kleine Gruppen. © 4P/Screenshot

Denn mit den restlichen Inhalten sind wir wieder beim Chamäleon – oder bei einem All-you-can-eat-Buffet, dessen Basis-Rezepte von Bioware, From Software, Lionhead und CD Projekt Red geschrieben wurden. Das Kennenlernen von Figuren, den Aufbau sozialer Bindungen zu ihnen bis hin zu Romanzen und ihre aktive Teilnahme im Kampf kennt man aus Dragon Age. Das geht sogar so weit, dass die Hexe Edwen, die man aus einer misslichen Lage befreit, die weißhaarige Schwester Morrigans sein könnte. Und damit ist Spiders für mich zu dicht an der Inspiration. Denn auch, wenn hier einige Entwickler mit von der Partie sind, die u.a. schon an dem Hack&Slay Silverfall beteiligt waren, sind diese Schuhe mindestens eine Nummer zu groß.

Das zeigt sich auch am Dialog-System, mit dem man Bioware nacheifert. An der Oberfläche gibt es sehr viele gesprochene Textzeilen, die bis auf wenige Ausnahmen keine akustischen Totalausfälle in den Gehörgang spülen und nur selten Schreibfehler in den Untertiteln haben. Doch Dialogbäume mit sich verzweigenden Ästen und ggf. Einbahnstraßen, die kein Zurück mehr erlauben, sind die Seltenheit. Zudem sind die Gespräche sehr langatmig inszeniert, so dass die durchaus interessanten Inhalte bei den meisten leider auf taube Ohren stoßen dürften. Immerhin: Kommt man doch mal an eine Abzweigung im Laufe des Gespräches, hat diese meist Auswirkungen auf den Ausgang der Mission oder sogar des Kapitels. Hier verscherzt man es sich mit der Sympathie einzelner, die einen fortan weitgehend ignorieren – es sei denn, sie müssen für eine Quest mit einem sprechen. Dort schafft man es nicht, innerhalb des Dialogs den Verräter zu ermitteln, der ungesehen entkommt. Figuren sterben oder gehen verloren. Und nicht zuletzt kann man über die Gespräche den dämonischen Zugriff festlegen. Aber das hatten wir ja schon.


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