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Fantasy General 2: Invasion (Taktik & Strategie) – Mehr als Schere, Stein, Papier

Fantasy General konnte 1996 für unterhaltsame Rundentaktik sorgen. Das von SSI entwickelte PC-Spiel wurde zwar überaus spartanisch, aber durchaus edel aus der Draufsicht inszeniert. Zudem erinnerte das Manövrieren von Truppen auf Hexfeldern an das erfolgreiche Panzer General. Slitherine und das österreichische Studio Owned by Gravity wollen den Klassiker jetzt mit frischen Ideen wiederbeleben. Was hat das mit der Unity-Engine inszenierte Fantasy General 2: Invasion für knapp 34 Euro zu bieten?

© Owned by Gravity / Slitherine Ltd.

Die Waffe zählt

Denn die Effizienz im Kampf richtet sich nicht nach Truppentyp, sondern nach Manöver und vor allem der Bewaffnung: Speere sind gegen Berittene zwar immer noch gut, aber auch einsetzbar gegen gepanzerte Einheiten der schweren Infanterie oder gegen einen Ansturm. Wer Schilde trägt, kann einen Wall bilden und auch Einheiten hinter sich gegen Beschuss schützen. Es ist schön, dass die Entwickler das etablierte Schere-Stein-Papier-Prinzip auf diese Art öffnen, denn so muss man sich etwas genauer mit den vielfältigen Möglichkeiten beschäftigen, denn man hat mehr Optionen zur Verfügung. Dabei hilft, dass man den Waffentyp einer Einheit sofort anhand der Icons erkennt und sich vor einer Attacke die erwarteten Verluste auf beiden Seiten anzeigen lassen kann. Diese Prognose kann nicht nur  überraschend sein, weil man z.B. alte Fire-Emblem-Routinen im Hinterkopf hat, sondern auch, weil sie in der ersten Anzeige nicht komplett akkurat ist – denn je nach Erfolg des ersten Schlags kann sich etwas ändern.

Zu Beginn eines Szenarios platziert man seine Einheiten in vorgegebenen Zonen, dann bewegt man sie in freier Reihenfolge über

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Es gibt sowohl für Helden als auch Truppen eigene Entwicklungsbäume. © 4P/Screenshot

die Hexfelder, wobei es nicht nur Wälder, Flüsse, Hügel etc. mit unterschiedlichen defensiven Boni oder Mali, sondern auch Schreine und Siedlungen zum direkten Plündern gibt; man kann auch mal Schätze, Artefakte & Co à la Heroes of Might & Magic finden, so dass zwischen den Gefechten gemütliches Erkundungsflair entsteht – da es keine Zugbegrenzung gibt, kann man übrigens alles in Ruhe abgrasen. Außerdem gefällt mir, dass man jede Einheit erst bewegen kann, bevor man irgendjemanden angreifen lässt – so ist man nicht gezwungen erst alle Aktionen einer Truppe auszuführen. Berge sind nur für Flieger zugänglich, es gibt also keine Höhenvorteile hinsichtlich der Reichweite für Fernkämpfer, aber wer mit ihnen Türme besetzt, bekommt Kampfboni. Sehr lobenswert ist angesichts der Details von Rüstung über Tempo bis hin zu Magie oder kollektiven Boni, dass die Benutzeroberfläche übersichtlich designt ist  und dass es über Farben, Menüs und Pop-ups stets zusätzliche Informationen gibt. Neben dem Terrain gilt es Flankierungen und vor allem die Unterstützung durch Fernkämpfer wie die überraschend starken Schleuderer & Co zu beachten, denn die sorgen proaktiv für Beschuss, so dass man sie optimal zur Unterstützung hinter der ersten Linie einsetzen kann: dann feuern sie einmal automatisch auf den Angreifer und sind später selbst nochmal manuell dran.

Verluste und Moral

Auch die solide, in mehreren Stufen einstellbare KI nutzt das, so dass man sie bei gestaffelter Aufstellung nicht so leicht überrennen kann. Bei einem Kampf gibt es zunächst einen direkten Schlagabtausch zwischen Angreifer und Verteidiger, die in der Regel beide Verluste hinnehmen, wobei ein siegreicher Angreifer das Feld besetzt. Eine weitere gute Idee ist übrigens, dass Truppen bei derartigen Verlusten nicht nur an Kampfkraft, sondern auch an Erfahrung verlieren, selbst wenn sie knapp mit einem Mann überleben! Man überlegt sich also zweimal, ob man überhaupt

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Hilft man dem menschlichen Clan oder den Trollen? Recht früh darf man Entscheidungen treffen. © 4P/Screenshot

Schaden nehmen will, wenn man kurz vor dem Aufstieg steht. Will man seine Truppen retten, muss man sie frühzeitig evakuieren und irgendwo rasten lassen, wobei es mitunter auch Heiltränke gibt oder Burgen & Co, in denen man gegen Gold komplett regeneriert. In diese Situation und auch zum Nachspielen einer Schlacht wird man des Öfteren kommen, denn die Schwierigkeit kann plötzlich anziehen – was vor allem daran liegt, dass man das Kampfsystem trotz seiner lobenswerten Vielfalt manchmal in einer Art umsetzen muss. Also: Als Barbar gilt es, seine Agilität einzusetzen.

Für militärtaktische Effizienz sorgen hier Plänkler und Scharmützler, die selbst keinen Gegentreffer nach dem Angriff einstecken oder in Hit&Run-Manier zuschlagen und dann zurück zum Ausgangspunkt galoppieren – nur muss man diese auf bestimmte Art schützen bzw. positionieren. Auch Hilfstruppen zur Belagerung oder Flieger bringen weitere Würze in eine Schlacht. Hinzu kommen die wichtigen magischen Attacken, für deren Gebrauch man Mana benötigt, das über Quellen im Gelände gesichert oder über die Seelen verstorbener Truppen gewonnen werden kann. Die Magie ist vor allem gegen Truppen mit geschwächter Moral sehr effizient. Letztere spielt eine entscheidende Rolle, denn selbst eine nominell stärkere Armee kann durch „Terror“ in Form von Heldenfähigkeiten, Artefakten, Hinterhalten, Sturmangriffen oder höherem Schaden in direkten Duellen an Kampfkraft verlieren. Krieger können

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Auch die Helden können entwickelt werden. © 4P/Screenshot

zerrüttet werden und ganze Verbände fliehen sogar! Schön ist auch, dass eigene Artefakte gestohlen werden, wenn man eine Schlacht verliert – will man es zurück haben, muss man die feindliche Truppe besiegen. Eine derartige Dynamik ist in rundenbasierten Hexfeldschlachten selten zu beobachten. Eigene Truppen werden u.a. durch die Nähe des Anführers oder eigene Entscheidungen moralisch stabilisiert werden. Schade ist allerdings, dass das Töten des feindlichen Anführers nahezu keine Effekte auf dessen Truppenmoral zu zeigen scheint.

Erfahrung und Spezialisierung

Egal ob Helden oder einfache Truppen: alle gewinnen Erfahrung, alle können über Artefakte, Waffen weiter ausgerüstet oder über eigene Techtrees in der Anwendung von Fähigkeiten bzw. der Waffengattung spezialisiert werden – lediglich die angeheuerten Söldner verändern sich nicht. Dabei hat man ausgehend von zwei Basiseinheiten die freie Wahl der Entwicklung. So kann aus einfachen jungen Schwertkämpfern oder Speerträgerinnen bei den Barbaren alles Mögliche werden – eine stärkere Variante, Berserker oder Schleuderer, Scouts, Hirschreiter,

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Obwohl man einigermaßen herauszoomen kann, vermisst man noch eine weitere Perspektive. © 4P/Screenshot

Wolfsmütter, Beschwörer, Axtkämpfer oder Plänkler, so dass man sehr individuelle gemischte Verbände inkl. magischer Fähigkeiten zusammen stellen kann; insgesamt stehen 75 Truppentypen zur Verfügung. Für die Rekrutierung braucht man Gold, Waffen & Co, die man als Ressourcen findet, bei Plünderungen oder Abschluss eines Szenarios bekommt.

Abseits der Kampagne kann man über seinen Steam-, GoG- oder Slitherine-Account gegen die KI oder Freunde spielen, wobei auch eine neutrale Kraft wie in der Kampagne zuschaltbar ist. Dabei geht es entweder um die Eroberung von Burgen oder die komplette Vernichtung des Gegners. Allerdings ist der Umfang überschaubar: Es gibt lediglich fünf Karten und zwei Fraktionen, die sich aber angenehm unterschiedlich spielen. Während die Truppen der Barbaren leicht gerüstet sind und im Stile der Guerilla-Taktik schneller und hinterhältiger aus dem Wald zuschlagen können, vor allem in einem Gelände ohne weite Ebenen, agiert das Imperium mit schwer gepanzerten Reitern, Langbogenschützen & Co etwas behäbiger im Stile einer formierten Großmacht, aber kann Untote beschwören, die wiederum die Moral stark beeinflussen. Man kann zig Optionen hinsichtlich Gelände, Truppenerfahrung & Co voreinstellen. Und schließlich gibt es die Möglichkeit, eigene Szenarien zu erstellen.

Kommentare

23 Kommentare

  1. El Spacko hat geschrieben: 09.09.2019 08:56 Für mich ein absoluter Pflichtkauf!
    Wegen solchen Spielen könnte ich nie komplett auf den PC verzichten.
    Dann wirst dus aber wahrscheinlich bereuen: wenn man ein bisschen länger spielt, stellt man fest, dass immer wieder ein Ladebug auftritt. Das Spiel läd dann in einer nicht endenden Ladeschleife. Ich habs mal 15 Minuten laufen lassen, der wurde nicht fertig... Ausserdem: die mittleren Level sind grauenhaft. Ich bin gerade im Sumpf:
    Eine riesige Karte, man hat nur sehr begrenzt Einheiten und dann kommen immer wieder von irgendwoher Echsenmenschen, die man irgendwo übersehen hat, weil die sich ständig Tarnen und Rückziehen können. Es ist einfach nur nervig. Und als dann jetzt der Ladebug auftrat, hab ichs dann aufgegeben.
    Die ersten Missionen sind ok, aber später? Nee. War ein Griff ins Klo....

  2. bigod66 hat geschrieben: 05.09.2019 22:23Ist bereits auf gog verfügbar
    Danke, gestern noch gesehn und gleich zugeschlagen. Nur kurz angespielt, macht aber einen guten Eindruck. Genau die Art von Spiel, auf die ich schon lange mal wieder Lust habe :-D

  3. Wow, das ist in der Tat eine Überraschung. Ich hab den ersten Teil damals geliebt und ähnlich wie Jörg lange Zeit immer wieder gespielt. Die Grafik und das Design waren zweckmäßig aber nett und der Soundtrack war toll. Bin zwar nie weit gekommen (ich spiele Hexfeldstrategie gern, bin aber ziemlich mies), Spaß gemacht hat's trotzdem. Schön zu sehen, dass endlich mal wieder ein würdiger Nachfolger erscheint - und dann auch noch so "aus der kalten".

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