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Dragon Age: Inquisition (Rollenspiel) – Ein Fantasy-Spielplatz in XXL

Vier Jahre hat BioWare an Dragon Age: Inquisition für PC, PlayStation 4 und Xbox One gearbeitet. Kein Wunder, dass sowohl die Vorfreude als auch die Erwartungen bei Rollenspielern groß sind. Mit der Übernahme des Studios durch Electronic Arts ist allerdings auch die Skepsis gewachsen. Können die Kanadier mit ihrem neuen XXL-Konzept begeistern? Können sie ein faszinierendes Abenteuer mit ihren erzählerischen Tugenden, mit dramatischen Entscheidungen und lebendiger Party-Interaktion erschaffen? Und all das in einer offenen Welt à la The Elder Scolls V: Skyrim inszenieren? Mehr dazu im Test.

© BioWare / Electronic Arts

Das Kampfsystem: Action vs. Taktik

Ich habe gehofft, dass dieses Dragon Age die clevere Planung gegenüber der fulminanten Action mehr in den Vordergrund rückt. Und auf den ersten Blick scheint man beide Lager anzusprechen. Man kann selbst entscheiden, ob man in Schulterperspektive aktiv kämpf: Dann bewegt man sich in Echtzeit hauend, schießend oder versengend durch das Gefecht, während die Schlacht um einen herum mit ansehnlichen Blitzen und Rauch, mit arkanen Beschwörungen und kleinen Erdbeben tobt. Sieht gut aus und man kann jederzeit in die Rolle der anderen Helden schlüpfen, um statt der zwei Dolche vielleicht mal eine Riesenaxt oder einen Feuerstab auszuprobieren.

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Das Inventar ist recht steril. Hier kann man auch Waffen vergleichen. © 4P/Screenshot

Aber das fühlt sich für Freunde des brenzligen Nahkampfes alles zu automatisiert und hektisch an. Situative Spannung über Kontertiming oder Schildkracher? Fehlanzeige. Man muss nur à la Diablo den Knopf gedrückt halten, um sehr schnell einfache Treffer zu landen, also je nach Waffe „Schaden pro Sekunde“ zu verursachen – als Bogenschütze feuert man quasi ein Maschinengewehr aus einem stets vollen Köcher ab. Zwischendurch mal ausweichen und Angriffszauber wechseln. So nah dran am Shooter war das Spielgefühl von Dragon Age noch nie.

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Der Zoom ist zu klein, die taktischen Möglichkeiten überschaubar – das Pausieren lohnt nur in Extremsituationen. © 4P/Screenshot

Immerhin reicht das simple Dauerfeuer des Quartetts diesmal für viele normale, aber nicht gegen alle Feinde aus: Der Anspruch gegen monströse Dämonen aus den Rissen oder gar fauchende Drachen entsteht dann dadurch, dass man entweder zügig die Verbindung zu unterstützenden Magiern kappen oder verwundbare Körperzonen riesiger Echsen einzeln anvisieren muss. Dann löst man die schützenden, stärkenden oder durchbrechenden Spezialmanöver rechtzeitig sowie in Schaden steigernder Kombination aus, nachdem sie wieder aktiv sind. Mit der Zeit füllt sich eine Leiste mit bunten Icons – das kennt man genauso aus vielen Online-Rollenspielen wie die Anzeige der Gefährlichkeit der Gegner in Gelb oder Rot.

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Man kann fast alles aus der Distanz in Echtzeit lösen. © 4P/Screenshot

Und was machen die drei anderen Helden der Gruppe? Hilfreich ist, dass man die automatischen Aktionen der Mitstreiter ähnlich wie in Mass Effect vorher festlegen kann, so dass man Mikromanagement bei laufender Action theoretisch ausschließen kann: Wann soll wer einen Heiltrank einschmeißen? Wann sollen welche Zauber oder Fähigkeiten zum Einsatz kommen? Welche Spezialmanöver stehen überhaupt zur Verfügung? All das kann man theoretisch für jeden Charakter festlegen. Nur eines geht nicht: Man kann kein Waffenset wechseln, kann also tatsächlich nicht während des Kampfes vom Bogen zu den Dolchen greifen – sehr ärgerlich! Überhaupt macht das Sammeln und Ausrüsten von Waffen aufgrund der sterilen Menüs nicht viel Laune. Und da sind wir auch schon beim Thema Taktik.

Nichts Halbes und nichts Ganzes

Wie spielt sich Dragon Age, wenn man nicht die fulminante Action, sondern in erster Linie die clevere Planung bevorzugt? Zunächst das Beruhigende: Ja, man kann immer pausieren und jedem Charakter sowohl Bewegungs- als auch Aktionsbefehle geben. Und jetzt all das Ärgerliche: Die Übersicht aus der erhöhten Perspektive ist ein Witz. Man sieht kaum etwas, weil man so wenig herauszoomen kann. Wie soll man da planen, ohne ständig zwischen den Ansichten zu wechseln? Hinzu kommt, das klare Gruppenbefehle wie „Position halten“ irgendwann komplett ignoriert werden: Da will man alleine und unsichtbar in einen Spinnenhöhle, postiert den Rest per Befehl etwas weiter draußen, aber plötzlich sind die Kollegen mitten in der Höhle – und werden aufgerieben. Solche Befehlsmissachtungen sind komplett nervig.

In der Praxis ist taktisches Feintuning aber ohnehin nur ganz selten notwendig. Es gibt auch gar keine heilenden

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Manchmal fühlt sich das Spiel an wie ein Shooter. © 4P/Screenshot

Zauber, für die man speziellen Schutz und gutes Timing in der Zauberfolge oder der Positionierung der Charaktere organisieren müsste. Alles konzentriert sich auf die explosive Offensive. Denn: Alle Gefährten teilen sich ja einen Vorrat, der zu Beginn bei acht Heiltränken liegt. Und immer, wenn jemand kurz vor dem Ableben ist, pausiert man und schmeißt ihn ein – fertig. Stirbt jemand? Einfach hin und auf Knopfdruck wiederbeleben! Bewegt man sich alleine aus der Todeszone, purzeln die Gefährten übrigens wie neugeboren vom Himmel. Wie soll da Dramatik oder Angst um die Gruppe entstehen? Irgendwann nimmt man während der Erkundung auch all die marodierenden Trüppchen nicht mehr wirklich ernst, denn die erledigt man in der Regel ohne Taktik nach Schema F in Echtzeit. Deshalb nerven diese kleinen Gefechte irgendwann sogar, wenn man ein Gebiet scheinbar bereinigt hat und nach einem kurzen Ausflug an derselben Stelle erneut dieselben Kampfroutinen abspult.

Man kann das Gelände auch kaum ausnutzen, weil es zu wenig physikalische Interaktionen über zerstörbare Objekte und keinerlei aktive Deckungspunkte gibt. Dabei hätte sich gerade das Arsenal an Fernkampfmagie, Projektilen und Granaten dafür angeboten! Immerhin blockiert die Physik sehr schön alle Geschosse an Felsen oder Wänden – man kann also nicht einfach was hindurchjagen. Man kann natürlich auch Engpässe blockieren und profitiert auch teilweise von der Höhe. Aber die meisten Feinde kann man nacheinander aus ihrer Deckung rausziehen, indem man sie einmal anpiekst. Wenn man von oben noch mehr Schaden machen will, muss man übrigens erst Fähigkeiten des Charakters aktivieren.

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Ruinen und Statuen sorgen für Hingucker. © 4P/Screenshot

Also: Die Gefechte können nur bedingt unterhalten, wenn dämonische Feinde mit Immunitäten oder arkaner Unterstützung sowie riesige Kreaturen zumindest grundsätzliche Planung einfordern. Vor dem Kampf gilt es dann zu pausieren und mit der Kamera zu den Feinden zu fliegen, um deren Widerstände gegen Feuer, Eis & Co zu studieren sowie deren Magier ausfindig machen. Dann zurück zur eigenen Gruppe, Krieger nach vorne, eigene Magier und Schütze nach hinten – laufen lassen, das war’s. Lediglich wenn man Risse schließt, muss man das zum einen gegen mehrere Wellen koordinieren und zum anderen beachten, dass man den Riss selbst schwächen kann, indem man sein Zentrum fixiert und den Helden mit seiner grün wabernden Hand darauf fokussiert.  

Die einzige Taktik kommt wie bei Mass Effect über Kombinationen der Charakterfähigkeiten ins Spiel, die für verheerenden Schaden sorgen können: Magier vereist den Feind, Schütze vergiftet ihn und der Meuchler attackiert ihn noch von hinten – autsch! Und das einzig Motivierende: Es gibt zig dieser Zwei-, Drei- oder Vierfach-Kombinationen, die zum Experimentieren und Studieren der freischaltbaren Fähigkeiten einladen. Spätestens auf dem dritten der vier Schwierigkeitsgrade kommt man ohne Kombos kaum aus. Unterm Strich ist das hier anspruchsvoller als in Dragon Age 2, aber dieses Kampfsystem aber nichts Halbes für Taktiker und nichts Ganzes für Echtzeitkämpfer. Wer wirklich klassisch und in Ruhe mit einzelnen Befehlen agieren will, der wird von der Kameraperspektive sowie den begrenzten Möglichkeiten enttäuscht.

Kommentare

3424 Kommentare

  1. der_geraet hat geschrieben: 30.12.2020 00:48 Nachdem Inquisition jahrelang unangetastet auf der Festplatte meiner Xbox schlummerte, habe ich mich endlich durchgegrindet.
    Habe das Spiel mit allen DLC‘s auf Maximallevel 27 beendet, mein Spielstand zeigt eine Netto-Spielzeit von 102 Stunden an.
    Trotz konfuser und eher uninteressanter Story, sowie dem repetitiven abklappern von Sammelaufgaben und dem allgemeinen MMO-grind-gameplay (ist eigentlich kein Rollenspiel) hat mich irgendwas bei der Stange gehalten. Mir hat es sehr gut gefallen.
    Ich frage mich nur welcher normale Mensch eigentlich Zeit haben soll für so ein Monstrum..
    Erstaunlich, ging mir genau so. Bin gerade wieder voll im Nostalgietrip und spiele mich nach all den Jahren durch die ganze Serie durch. Nachdem ich den technisch katastrophalen (inhaltlich absolut genialen) Erstling nach 13 Jahren endlich auf 100% gebracht habe, widme ich mich als nächstes dem 2. Teil. Und wenn auch da die 100% Marke Ping macht, widme ich mich ein weiteres Mal Inqui.. wollen die DLC auch da endlich gespielt werden.
    Für den Fall, dass das hier iwer liest.. wie ist Teil 3 auf der PS3?
    Gemessen an Teil 1 miese Diashow und Teil 2 auf Speed. Überlege ob ich mir den Spaß gönne um die Platin auf der 3 anzugehen.. oder lieber bei der fertigen Platin der Ps4 Version auf der PS5 bleibe.
    Tatsächlich freue ich mich auf den nächsten Run, ungeachtet der inkompetenten Kommentare meines früheren Selbst Anno 2014 😆

  2. Some Guy hat geschrieben: 30.12.2020 10:16 Die Begeisterung ist dann im Laufe der Zeit aber schnell verflogen und man hat sich wie in einem Ubisoft-Spiel gefühlt, wo man 100 Stunden mit langweiligem Sammelmist verbringen kann.
    Das schlimme daran ist, hat man sich dran gemacht sowas abzuarbeiten, ging die Quest nicht aus dem Log. Für jemanden der sein Questbuch gerne leer macht ein Unding.

  3. der_geraet hat geschrieben: 30.12.2020 00:48 Ich frage mich nur welcher normale Mensch eigentlich Zeit haben soll für so ein Monstrum..
    Du bist keiner? :D
    Ging mir ähnlich mit dem Titel. Am Anfang fand ich sogar die Open World extrem beeindruckend, weil man sie wirklich merkbar beeinflussen kann. Dass ich irgendwelche hohlen MMO-Aufgaben mache und dann beim nächsten Besuch auf einmal dort tatsächlich eine Kolonie anfängt, sich aufzubauen und NPCs auf mich reagieren habe ich so bisher in keinem Spiel erlebt. Dadurch hat sich ein Gefühl entwickelt, dass es eben nicht nur dumme Quests sind sondern man tatsächlich sein Imperium ausbaut. Die Begeisterung ist dann im Laufe der Zeit aber schnell verflogen und man hat sich wie in einem Ubisoft-Spiel gefühlt, wo man 100 Stunden mit langweiligem Sammelmist verbringen kann. Die Story war anfangs sau episch, als dann das scheinbare Intro vorbei war war da aber auch schnell die Luft raus. Am Ende des Tages hat sich der Titel dann wieder durch die alten Bioware-Stärken gefangen, die da aber schon so langsam angefangen haben zu bröckeln. Lust das nochmal zu spielen habe ich bisher auch nicht so wirklich verspürt. War aber trotzdem "ganz nett" ;).

  4. Nachdem Inquisition jahrelang unangetastet auf der Festplatte meiner Xbox schlummerte, habe ich mich endlich durchgegrindet.
    Habe das Spiel mit allen DLC‘s auf Maximallevel 27 beendet, mein Spielstand zeigt eine Netto-Spielzeit von 102 Stunden an.
    Trotz konfuser und eher uninteressanter Story, sowie dem repetitiven abklappern von Sammelaufgaben und dem allgemeinen MMO-grind-gameplay (ist eigentlich kein Rollenspiel) hat mich irgendwas bei der Stange gehalten. Mir hat es sehr gut gefallen.
    Ich frage mich nur welcher normale Mensch eigentlich Zeit haben soll für so ein Monstrum..

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