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Lies of P (Action-Adventure) – Dieses Soulslike hat die Nase vorn!

Soulslikes gibt es mittlerweile wie Sand am Meer, doch Lies of P stach vor seinem Release dank der Pinocchio-Vorlage nicht nur mit seiner langen Nase, sondern auch mit atmosphärischen Bloodborne-Anleihen aus der Masse hervor. Weil gerade in diesem überschwemmten Genre die Qualität enorm schwankt und viele mögliche Fallstricke zwischen ambitionierten Ideen und einem gelungenen Ergebnis liegen, muss sich jeder Vertreter einigen Fragen stellen: Wie fühlt sich das Kampfsystem an? Was für Bosskämpfe erwarten den Spieler? Wie steht es um den Schwierigkeitsgrad? Und vor allem: Wie grenzt man sich von den viel gepriesenen Vorlagen ab? Der südkoreanische Entwickler und Publisher Neowiz hat sich mit Lies of P alle Mühe gegeben, Antworten zu liefern und unser Test klärt auf, ob man beim Marketing im Vorfeld die Wahrheit erzählt oder munter gelogen hat.

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Stärkung und Störung
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Während ihr euch durch die Welt von Krat kämpft, levelt und lügt, wird eure Nase zuhause immer länger. © 4P/Screenshot

Um den ansteigenden Herausforderungen gewachsen zu bleiben, muss Titelheld Pinocchio natürlich seine Stahlmuskeln aufpeppen. Das geschieht vor allem über ein klassisches Levelsystem, bei dem ihr von besiegten Gegnern Erfahrungspunkte – das erwähnte Ergo – erhaltet, die ihr dann in den Stufenaufstieg investieren könnt. Zur Auswahl stehen dabei wie immer eine Handvoll kryptische Begriffe, hinter denen sich letztendlich bekannte Kategorien wie Lebenspunkte, Ausdauer, verschiedene physische Angriffswerte oder Lastkapazität verbergen. Wer jeden Gegner einmal besiegt, darf sich über ein regelmäßiges Progressionsgefühl freuen, muss aber auch abwägen: Ergo dient nämlich gleichzeitig als Währung, mit der sich hilfreiche Gegenstände wie neue Waffen oder Wurfgeschosse erstehen lassen.

 

 

Untypisch für das Genre ist derweil der Talentbaum, bei dem ihr mit einer raren Ressource namens Quarz Stück für Stück neue Boni und Fähigkeiten freischaltet. Jeder eingesetzte Edelstein gewährt Pinocchio einen Vorteil, mit dem ihr, abhängig von eurer Wahl, beispielsweise die Anzahl der Pulszellen erhöht, eine weitere Ausweichrolle ausführt oder die Stagger-Leiste des Gegners schneller füllt. Da Quarz in Krat eine wahre Seltenheit ist, fühlt sich jedes Upgrade auch wirklich bedeutungsvoll an, obwohl die im Talentbaum zu findenden Boni eindeutig unausgeglichen sind. Die verstärkte Heilung der Pulszellen ist nun einmal viel nützlicher als die Möglichkeit, einen Feuerkanister mehr zu schmeißen. So musste ich nur selten abwägen, wie ich das Quarz investiere.

 

 

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Im Talentbaum warten viele verlockende Boni auf euch, die sich mit seltenem Quarz freischalten lassen. Gründliche Erkundung macht sich also bezahlt. © 4P/Screenshot

Damit ihr den Talentbaum möglichst weit ausfüllen könnt, lohnt sich nicht nur das Erkunden, sondern auch das Besiegen von stattlichen Minibossen, die das Repertoire an Standardgegnern beträchtlich erweitern und angesichts der deftigen Spielzeit von 40 – 50 Stunden für eine recht angenehme Feindesvielfalt sorgen. Auch in den letzten Gebieten servierte mir Lies of P ab und an noch ein paar neue Kreaturen. Nichtsdestotrotz ist mir das Kanonenfutter, bestehend aus taumelnden Puppen und sprintenden Zombies, ein bisschen zu häufig vor die Linse gelaufen. Die durchaus gelungene Abwechslung an Monstern macht sich übrigens auch mit einer Reihe an fiesen Statuseffekten bemerkbar: Die Klassiker wie Überhitzung und Verderbnis, die euch verbrennen oder vergiften und so für kontinuierlichen Schaden sorgen, werden dabei durch ein paar eigene Ideen erweitert.

 

 

Leidet ihr unter Elektroschock, erhaltet ihr beispielsweise mehr physischen Schaden, während Verfall dafür sorgt, dass eure Waffenhaltbarkeit rasant abnimmt. Brechen hingegen verringert temporär eure Heilung und Schock verlangsamt eure Ausdauerregeneration. Einige Statuseffekte sind natürlich schlimmer als andere, aber alle haben irgendwo ihre Daseinsberechtigung, um Lies of P noch herausfordernder und vielfältiger zu gestalten – alle, bis auf eine. Seht ihr einen Balken mit dem Wort „Störung“ auf eurem Bildschirm, solltet ihr schleunigst die Holzbeine in die Hand nehmen, denn sobald der voll ist, segnet ihr augenblicklich das Zeitliche. Instakill-Mechaniken sind selten eine gute Idee, zumal es zu viele Gegner gibt, die diesen Statuseffekt auslösen können. Das hätte man sich wirklich sparen können.

 

Schlaraffenland für Waffen-Narren

Auch wenn Lies of P viele Konventionen seiner Genre-Geschwister übernimmt, macht man ab und an glücklicherweise sein eigenes Ding, zum Beispiel bei den Waffen. Statt einfachen Schwertern, Hämmern und Speeren findet ihr neue Kampfwerkzeuge jedes Mal im Doppelpack, bestehend aus Griff und Klinge. Nun könnt ihr versäumte Bastelstunden aus eurer Kindheit nachholen, denn die Einzelteile lassen sich nach Lust und Laune kombinieren und beeinflussen natürlich das Endergebnis. Der Griff wirkt sich auf das Moveset aus, und mit welchen Werten eure Waffe wie stark skaliert. Die Klinge hingegen ist für die Reichweite zuständig und hat verschiedene Spezialangriffe im Gepäck. Beide Teile lassen sich derweil individuell und mit unterschiedlichen Ressourcen verbessern, wobei ihr beim Griff nur an der Skalierung schraubt.

 

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Mit Tesafilm und Heißklebepistole könnt ihr in Lies of P eure eigenen Waffen basteln. Eine innovative Art des Schnetzelns, mit der man sich von der Konkurrenz abhebt. © 4P/Screenshot

Das Selbstzusammenbasteln der Waffe ist eine grandiose Idee, bringt frischen Wind ins Genre und sorgt dank großer Varianz für schier unendliche Möglichkeiten. Jede Kreation fühlt sich angenehm unterschiedlich an, bietet eigene Effekte und Movesets, und macht auch optisch einiges her: Mit einem Hammer, der aus Puppenarmen besteht, einem überdimensionalen Uhrzeiger oder einer Rohrzange lassen sich nicht nur bizarre, sondern auch wirklich spaßige Mordinstrumente zusammenschrauben. An die Trick-Weapons von Bloodborne mit ihren ausgefallenen Angriffsmustern kommt Lies of P zwar nicht ran, bringt aber trotzdem deutlich mehr als der Großteil der Konkurrenz auf den Tisch.

Kommentare

49 Kommentare

  1. AlexanderMariaGockel hat geschrieben: 04.04.2024 10:00Kann ich nachvollziehen, würde aber dagegen halten, dass sie das hervorragende System der Klingen/Griffe eingeführt haben.
    Hab ich mehrfach versucht, funktionierte aber leider in dem Falle nicht so wirklich.
    Fortschritt skaliert anscheinend grundsätzlich nur Elementarschaden, und nie physischen Schaden. Wenn du den Griff änderst, oder auch die Skalierung vom Griff auf Fortschritt, selbst wenn da ein A oder S steht, der Schaden der Klinge bleibt völlig unbeeinflusst, insofern das keine spezielle Klinge mit Elementarschaden ist - und von ebendiesen gibt es halt leider viel zu wenige.
    Von 40 Waffen sind damit nur 6 überhaupt nutzbar, und darunter ist keine einzige der Bosswaffen. Fand ich sehr ärgerlich, und eben darum hab ich halt umgeskillt.
    Sie hätten so ein System wie in Dark Souls 2-3 oder Elden Ring implementieren sollen, d.h. ich kann beim Schmied oder Stargazer eine physische Waffe nach Wahl auf elementar umwandeln, und dadurch auch Elementarskalierung mit dieser nutzen. Dadurch hätte man mit jedem Build viel mehr Auswahl.
    Dass man Klinge/Griff nach Belieben kombinieren kann, ist natürlich an sich gut und sollte beibehalten werden.

  2. LeKwas hat geschrieben: 29.03.2024 16:16 - Viel zu wenig Auswahl für Builds, die auf Fortschritt als Stat gehen möchten, nur sehr wenige Waffen skalieren damit, und darunter ist keine einzige der Bosswaffen. Ich hab deshalb dann irgendwann umgeskillt, weil die geringe Waffenvielfalt mich so nervte.
    Glücklicherweise ist das Umskillen kein Problem, dieser Goldmünzenbaum spuckt mehr als genug von diesen dafür benötigten Münzen aus.
    Kann ich nachvollziehen, würde aber dagegen halten, dass sie das hervorragende System der Klingen/Griffe eingeführt haben. Was ich bei klassischen Souls-Games immer sehr schade finde ist, dass zumindest ich ab einem gewissen Punkt gar keine Motivation mehr habe neue Waffen auszuprobieren. Da findet man dann eine coole oder kriegt sie durch einen Boss und ist potentiell auch interessiert, aber gerade im Lategame denke ich mir dann "puh, bis du die jemals hochgelevelt hast, mehr als 3 - 4 kann ich eh nicht auf max level grinden und umskillen geht auch nur ganz selten". Zumindest bei mir kommt fast alles dann unbesehen ins Inventar oder ich klatsch 1 - 2 billo Mobs weg und das war es dann.
    Bei Lies of P habe ich natürlich auch irgendwann meine Lieblingswaffe gefunden, ich war aber viel experimentierfreudiger, verschiedene Movests und Waffen auszuprobieren, weil man a) leicht umskillen konnte und b) nicht alles "verschenkt" war, weil man seine high level Komponenten weiterverwenden konnte.
    Das hat es für mich mehr als ausgeglichen 8)

  3. Hab's nachgeholt, war ein ordentliches Soulslike, aber mit den vielen internationalen Gold Awards und co. kann ich nicht wirklich mitgehen. Würd insgesamt eher so 7/10 vergeben.
    Was mich störte:
    - Viel zu wenig Auswahl für Builds, die auf Fortschritt als Stat gehen möchten, nur sehr wenige Waffen skalieren damit, und darunter ist keine einzige der Bosswaffen. Ich hab deshalb dann irgendwann umgeskillt, weil die geringe Waffenvielfalt mich so nervte.
    Glücklicherweise ist das Umskillen kein Problem, dieser Goldmünzenbaum spuckt mehr als genug von diesen dafür benötigten Münzen aus.
    - Sehr linearer Aufbau, man arbeitet streng ein Gebiet nach dem anderen ab, die jeweiligen Areale sind nur sehr geringfügig miteinander vernetzt.
    Das finale Gebiet im Spiel fand ich zudem auch nicht so pralle, wirkte recht dröge mit den kargen Steinwänden und Kabeln.
    - Kampfsystem ist für mein Empfinden noch einen Ticken zu zäh und ungelenk, es entsteht nicht so ein Flow wie in Sekiro oder Wo Long, die beide ebenfalls so einen starken Parry Fokus haben. Man kann seine Armprothesenmodule nicht so flüssig in eine Kombo einbauen wie in Sekiro, und die Fabelkünste nicht so oft und flüssig wie die Kampfkünste in Wo Long.
    - Animationen von Gegnern bestehen in einigen Fällen aus wilden Zuckungen und vielen Delays in Angriffsanimationen, was es unintuitiver machte, ein richtiges Gefühl für's Timing für die Parries zu entwickeln. Das ging mir gefühlt leichter von Hand in Sekiro, Wo Long und auch Stranger of Paradise. Der vorletzte Boss war in der Hinsicht nervig, der finale Boss war besser umgesetzt.
    Ist aber insgesamt gemessen daran, dass Neowiz / Round 8 Studio sich hier erstmals in der Soulslike- bzw. Action-Adventure-Richtung versucht hat, ein ordentliches Spiel geworden. Wenn sie sich bessern, können da demnächst sehr feine Spiele rauskommen.
    Löblich auch, dass es an der Performance nichts zu bemängeln gab - das ist in diesen Tagen ja leider keine Selbstverständlichkeit.

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