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Pokémon Karmesin & Purpur (Rollenspiel) – Dreister Durchschnitt zum Vollpreis

Pokémon Karmesin & Purpur sind auf dem Papier die Wunschkinder der Community: Mainline-Editionen im Open-World-Gewand, ein nichtlinearer Handlungsstrang und Quality-of-Life-Verbesserungen. Doch die Spiele wirkten bereits in den Trailern unfertig, die Fans staunten über die schwache Grafik und die üble Performance. Im großen Test erklären wir, wie sehr sich die Technik auf den Spielspaß auswirkt, welche schönen Elemente aus Arceus übernommen wurden und was die neuen Terakristallisierungen so können.

© The Pokémon Company / Nintendo

Wie auch schon in Pokémon-Legenden: Arceus überdeckt der Spaß am grundsätzlichen Spielablauf die Hässlichkeit der Oberwelt. Denn Paldea, die Region in Karmesin & Purpur, tut weh. Ich habe oft gelesen, dass Game Freak die Editionen ja schöner gemacht hätte, wenn die Switch mehr Power hätte. Aber wer The Legend of Zelda: Breath of The Wild oder Monster Hunter Rise auf der Switch gespielt hat, der merkt in Karmesin & Purpur schnell, dass nicht Teraflops fehlen, sondern der Wille von Game Freak. Die Spiele kommen nicht ohne regelmäßige Einbrüche der Performance aus, NPCs und wilde Pokémon werden schon ab einer geringen Entfernung zum Spieler stark gedrosselt. Die allermeisten Häuser sind de facto nicht betretbar (nicht mal jene, die eine besondere Funktion besitzen, wie etwa Kleidungsläden oder Restaurants), Trainerkämpfe sind rar gesät und die Gesichtsausdrücke der Charaktere haben wie in Legenden: Arceus so viel Charme wie die billige Fleischwurst im Aldi-Kühlregal. Und Objekte schweben eleganter über dem Boden als Nebulak bei Vollmond – diese Liste ließe sich noch etliche Zeilen fortführen… Besonders absurd war für mich der Moment, als ich zum ersten Mal in einem Klassenzimmer der Orangen-Akademie saß und meine Mitschüler, direkt neben mir sitzend, in der Hälfte der eigentlichen FPS ihre Füße baumeln ließen.

Drei Storylines und keine Qual der Wahl

 

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Meine Starter-Wahl fiel ohne viel Kopfzerbrechen auf Krokel. © 4P/Screenshot

Die Orangen-Akademie ist Dreh- und Angelpunkt der Story: Dort geht man zur Schule und belegt Kurse, es gibt überteuertes Kantinenessen, die Profs sind so schrullig wie liebenswert und man hat ein kleines aber feines Zimmer (welches man gefühlt nur ein einziges Mal zu Gesicht bekommt). Der Direktor der Akademie, Señor Clavel, entsendet seine Schülerinnen und Schüler zu Beginn von Karmesin & Purpur in die große, weite Welt und gibt ihnen eine Projektarbeit mit auf den Weg: die „Schatzsuche“. Eine kryptische wie auch tiefgründige Aufgabe, denn mehr Informationen als das bekommt der Spieler nicht. Nur Nemila, die Schulsprecherin, verrät: Was der Schatz ist, bestimmt jeder selbst. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, der auf die drei unterschiedlichen Handlungsstränge der Spiele hindeuten soll. Nach dem Intro steht es dem Spieler frei, die Welt ganz nach eigenem Gusto zu erkunden. Wobei das nicht die ganze Wahrheit ist – aber dazu später mehr…

Zur Wahl stehen der „Weg des Champs“, der „Pfad der Legenden“ und die „Straße der Sterne“. Was es damit auf sich hat, sollte jeder, der Karmesin & Purpur eine Chance gibt, selbst herausfinden. Relativ spoilerfrei lässt sich aber festhalten, dass der Weg des Champs die „klassische“ Art ist, Pokémon zu spielen: acht Arenaleiter plus die Pokémon-Liga schlagen. Die Spiele zwingen einen aber nicht, sich festzulegen. Wer eigentlich den Weg des Champs spielt, unterwegs aber auf eine Aufgabe der beiden anderen Handlungsstränge trifft, kann diese ebenfalls absolvieren. An einem Punkt schien es mir, als müsste ich eine Aufgabe der Straße der Sterne absolvieren, um auf dem Weg des Champs weiterzukommen. Vielleicht eine Art Häppchen von Game Freak, um langjährigen Fans wie mir die Storylines abseits des bewährten Pokémon-Fahrplans schmackhaft zu machen.

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In der Orangen-Akademie kann man richtige Unterrichtsstunden absolvieren. © 4P/Screenshot

Obwohl sich Game Freak mit dem Inhalt der neunten Generation offensichtlich Mühe gegeben hat, kommen die einzelnen Geschichten so belanglos wie nur irgendwie denkbar daher. Ganz besonders absurd wirken die „Arenen“. Ein Beispiel: Einer der Arenaleiter stürmt eilig aus seinem Stadion, als ich eintreten möchte. Mir wird gesagt, dass der Leiter denkt, er habe seine Geldbörse in einer (kilometerweit entfernten) Stadt liegen gelassen. Dort ist sie aber nicht, stattdessen wird sie mir in die Hand gedrückt mit der Bitte, sie ihm zu bringen. Gesagt, getan. Einen halben Tagesmarsch später treffe ich auf ihn, werde aber unfreundlich von einem seiner Mitarbeiter abgewiesen – mit dem Hinweis, dass der Herr sehr beschäftigt sei und dringend seine Geldbörse wiederfinden muss. Ich bleibe hartnäckig und es kommt zum Kampf. Nachdem ich ihn besiege, hört er mir endlich zu und realisiert, dass ich die Geldbörse seines Chefs im Rucksack habe. Der Arenaleiter eskaliert daraufhin vor Freude und erklärt mir, dass er das Geld so dringend brauche, weil er gerne an den Auktionen in der Stadt teilnimmt. Kaum fällt das Wort Auktion, hören ich und die beiden Herren einen Marktschreier. Es geht um ein Item aus der Region Hoenn. Der Arenaleiter verkündet augenblicklich, dass er das Item unbedingt brauche, drückt mir 50.000 Pokédollar in die Hand und schickt mich zur Auktion. Diese bizarre Situation wird nun zur… Arenaprüfung. Zwei Klicks später habe ich das Item für 35.000 Pokédollar ersteigert, darf den Rest behalten und bekomme einen Stempel für die „hervorragend gemeisterte“ Aufgabe. Wem das noch nicht absurd genug ist: Eine andere Arenaprüfung besteht darin, eine Olive von A nach B zu rollen. Ich wünschte, das wäre Satire! Aber nein, das ist so real wie die Remakes von Pokémon Diamant und Perle, von diesen Spielen ist mir bis heute eine posttraumatische Belastungsstörung geblieben.

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Auf der Jagd nach neuen Teammitgliedern. Ihr seht: Viele Pokémon sind wirklich sehr sehr klein. © 4P/Screenshot

So frei das Erkunden in Karmesin & Purpur auch scheint, es ist – wie schon in Arceus – an das eigene Level gekoppelt: Wer beispielsweise nicht auf Level 30 ist, wird sich in vielen Teilen der Map schwertun. Dazu kommt der „Level-Lock“ aus vergangenen Editionen: Pokémon, die über einem gewissen Level sind, gehorchen einem nicht – es sei denn, man erkämpft sich den nächsten Arena-Orden. Das macht Teile der Karte unerreichbar, wenn man nicht die entsprechende Level-Grenze hat und andere Aufgaben zuvor erledigt. Und es eliminiert ein Stück weit die Illusion, Paldea zu jeder Zeit voll erkunden zu können. Womit ich persönlich kein Problem habe, die Handlung gestaltet sich deshalb aber eben größtenteils doch linear.

Kommentare

71 Kommentare

  1. LaNoir hat geschrieben: 13.12.2022 02:36 Ich blame 70% Game Freak und 30% Nintendo
    Das hat nichts mit der Switch zu tun und geht demnach auch nicht auf Nintendos Konto, das ist einzig und allein Game Freaks schuld.
    Spiele können auf der Switch sehr gut aussehen, das sieht man an BotW - einem Launch-Titel - und dass die beiden Pokemon-Spiele so arg ruckeln, liegt am nach wie vor nicht gefixten Memory Leak, der dafür sorgt, dass das Spiel immer schlechter läuft, je länger man die Switch-Konsole anlässt (so wie Skyrim auf der PS3 damals), was im Falle der Switch natürlich ziemlich dämlich ist, wenn man bedenkt, dass die meisten Menschen ihre Switch vermutlich in den Stand By-Modus versetzen, anstatt sich richtig auszuschalten.
    Entschuldigt alles nicht die restlichen Fuck-Ups in der Entwicklung, aber mehr Konsolenpower würde durchaus helfen, ein flüssigeres Spieleerlebnis zu haben.
    Das würde es, es wäre aber auch kein Problem gewesen, ein recht ruckefreies Spielerlebnis auf der aktuellen Switch zu bieten aber wir reden hier von Game Freak, welche seit dem Sprung in die 3D-Ära mit der Performance zu kämpfen haben, es gab seit einschließlich X und Y kein Pokemon-Spiel mehr, welches NICHT irgendwelche Probleme mit der Performance hatte.

  2. Ich blame 70% Game Freak und 30% Nintendo
    Die ganzen offensichtlichen Probleme mal dahingestellt, fast keine Spieleadaption auf der Switch kommt mit einem Grafikdowngrade von mindestens 2 Konsolengenerationen aus um das Spiel halbwegs ruckelfrei wiedergeben zu können. Ich liebe meine Switch und ich hab mich echt drauf gefreut, dass endlich auch Titel wie Persona oder Witcher auf ihr spielbar sein werden, aber goddamn, am Ende hab ich lieber in eine PS4/5 investiert als mir diesen Grafikmatsch anzutun.
    Well yeah, Switch ist hauptsächlich ein Handheld, aber dann sollte zumindest das Dock für die fehlende Power sorgen. Oder man bleibt einfach gleich beim altbewährten Konzept Handheld UND Konsole auf den Markt zu bringen. So ist es nichts Halbes und nichts Ganzes.
    Was hat das Jetzt mit KarPu zu tun? Nun, ich wette, dass die Grafiken wesentlich hochwertiger waren, man dann aber festgestellt hat dass die Hardware heillos überlastet ist und daher die Defaultskin verwenden musste. Vergleiche wie zu BotW hinken, da Pokémon sich einfach eines ganz anderen Systems bedient, man hat nicht eine Hand voll statischer Bossmobs, man hat fast 1000 individuelle Charaktermodelle, Geschlechtsunterschiede, Shinyformen etc nicht mitgezählt, das verbraucht Speicher. Dieses Problem existiert seit der ersten Generation.
    Entschuldigt alles nicht die restlichen Fuck-Ups in der Entwicklung, aber mehr Konsolenpower würde durchaus helfen, ein flüssigeres Spieleerlebnis zu haben.

  3. Es ist einfach eine Frechheit im Jahre 2022, beinah '23 sowas zu liefern.
    Das Spiel ist technisch locker 10-15 Jahre zu spät dran.
    So ziemlich jeder von uns, der in seiner Kindheit Pokémon auf dem Gameboy oder N64 gespielt hat, hat sich sowas in der Art im kopf ausgemalt und ich bin der Meinung, technisch ist das heute gelieferte nicht Jahrzehnte weit weg von dem, was damals bereits möglich war.

  4. gefühlt ja
    aber die raids gehen deutlich flotter weil die kampfanimationen gleichzeitig abgespielt werden.
    aber das funktioniert auch nicht einwandfrei. kann aber auch am nintendo-lag liegen.

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