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Xenoblade Chronicles 3 (Rollenspiel) – Krieg und Frieden und Riesenroboter

Für die einen ist es existenzielles Anime-Welttheater, für die anderen eine überfrachtete Rollenspiel-Monstrosität: Die Xenoblade Chronicles fanden in der Vergangenheit Freunde und Verächter. Teil 3 will nun die Lager einen und appelliert an die gemeinsamen Dogmen der JRPG-Fans: Riesenkampfroboter sind Gott. Und ein bisschen Grind geht immer. Damit kehrt das Finale nicht nur zu den Wurzeln der Chronicles, sondern der gesamten Xeno-Reihe zurück. Ambitioniert. Etwas anderes war aber auch nicht zu erwarten, wenn man die Vorgeschichte betrachtet.

© Monolith Soft / Nintendo

Zeit, bitte bleib steh’n, bleib steh’n

Der Weg zur Schwertmark führt die sechs Aussteiger einmal quer über Aionios, dessen Landmasse dem versteinerten Körper des Titanen Uraya, Heimatort des Charakters Vandham aus Xenoblade Chronicles 2, ähnelt. Was genau mit Land und Leuten seit den beiden Vorgängerspielen passiert ist, ist eines der vielen Geheimnisse, das ihr im Laufe der nächsten Spielstunden aufdecken werdet. Passend für ein Mammut-RPG, mit dem ihr euch locker zwischen 70 und 100 Stunden beschäftigen könnt, ist das Thema Zeit dabei das Leitmotiv. So hat zum Beispiel Mio, die nachdenkliche Wegweiserin aus Agnus, nur noch wenige Monate zu leben, bevor ihre zehnjährige Lebensfrist abläuft. Die Reise in die Schwertmark wird so zum Wettlauf gegen den Tod.

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Kombiniert ihr den Ouroboros mit den Angriffsketten, schnellt der Bonus-Schaden in astronomische Höhen. © 4P/Screenshot

Gleichzeitig versucht euer Sextett so viele Soldaten wie möglich vom Joch des Kriegs zu befreien. Das funktioniert über die Zerstörung der sogenannten „Flammenuhren“, kreisrunder Energiespeicher, die in den Kolonien die Lebenskraft der getöteten Kriegsopfer einsammeln. Egal, ob eine Kolonie auf Seiten von Keves oder Agnus steht: Solange ihre Flammenuhr tickt, müssen die dort stationierten Soldaten kämpfen und die Stechuhr des Todes aufziehen. Viele der zahlreichen Nebenquests des Spiels drehen sich um solche Befreiungsschläge. Entweder direkt auf eurem Weg zum nächsten Marker der Hauptquest oder beim Erkunden eines Nebentales entdeckt ihr eine Kolonie, prügelt euch mit ihrem Kommandierenden und oft auch einem Konsul der Moebius, zerballert nach erfolgreichem Boss-Kampf die Uhr und schaltet die Kolonie als Reisepunkt und Quest-Hub frei. Das öffnet weitere Nebenmissionen, die sich um die Versorgung der nun frei agierenden Basis drehen. Essen sammeln, jagen oder verirrte Bewohner finden, Stück für Stück verdient ihr euch Harmoniepunkte, die sich in allerlei Boni auszahlen.

Helden sind Klasse(n)


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Moebius-Konsulen verwandeln sich bei Bosskämpfen gerne in zähnefletschende Riesenhulks. Zeit für eure Ouroboros-Verwandlung. © 4P/Screenshot

Die beste Belohnung: Die meisten der befreiten Kolonie-Kommandierenden stehen euch nach Questabschluss als Helden zur Verfügung, unterstützen als siebtes Party-Mitglied nicht nur im Kampf, sondern verleihen eurer Party auch weitere Klassen. Ähnlich wie im Job-System aus Final Fantasy und anderen Genre-Klassikern stehen euch durch neue Klassen zusätzliche Kampftechniken, Angriffsmuster und Outfits zur Verfügung. Die aus Teil 1 bekannte Rollen-Dreieinigkeit gewinnt dadurch an Tiefe. Eure Angreifer sind z.B. nicht mehr auf Schwerter festgelegt, sondern attackieren je nach Klasse mit Bogen, Revolvern oder Riesenhammer. Jedes Partymitglied kann mit etwas Übungszeit jede Klasse erlernen, so dass ihr auch mit ungewöhnlichen Aufstellungen wie sechs Angreifern oder einer Truppe, die überwiegend aus Verteidigern und Heilern besteht, experimentieren könnt. Viele der Heroen erweitern die Spielwelt auch erzählerisch. Interessante Hintergrundgeschichten wollen aufgedeckt, alte Fehden ausgetragen und komplette optionale Questreihen erledigt werden. Der Großteil der Aufträge dreht sich dabei um Kämpfe, seltener sind simple Sammel-Gesuche und Verfolgungsjagden, bei denen ihr Spuren verfolgt.

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Aktiviert ihr die Navigations-Hilfe, zeigen farbige Bänder und deutlich sichtbare Leuchtfeuer den Weg zum nächsten Handlungsort. © 4P/Screenshot

Wie so oft bei dieser Quest-Struktur befindet ihr euch in einem erzählerischen Dilemma: Wollt ihr der drängenden Hauptquest folgen oder den mannigfach am Wegesrand lockenden Nebenbeschäftigungen nachgehen? Ohne zu viel zum späteren Verlauf der Handlung zu verraten: Die Designer wissen um diese Diskrepanz und treiben die Dramatik damit später gewaltig in die Höhe. Generell gilt: Xenoblade 3 ist, wie seine Vorgänger, kein Spiel zum Durchrennen. Es nimmt sich Zeit und ihr solltet das auch tun. Manche Zwischensequenzen dauern fast eine Stunde und manche Nebenfiguren plus ihre Geschichten sind viel zu sympathisch, um sie zu verpassen. Außerdem gibt es ohne einen profanen Worldbuilding-Unterbau eben auch keine welterschütternde Epik.

Betörende Anderswelt


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Bei aller Ernsthaftigkeit: Manchmal muss man einfach sein Schwert als Surfboard benutzen und Bosse im Anime-Style schreddern. © 4P/Screenshot

Stichwort Worldbuilding: Xenoblade Chronicles 3 zaubert eine enorm faszinierende Anderswelt auf die Switch. Gras wiegt sich auf sanft abfallenden Berghängen, Sandbänke und Korallenformationen locken mit leuchtenden Farben und das abkühlende Bad in einer Wüstenoase perlt naturalistisch vom Display. Das Ganze wird belebt von einer Vielzahl knuffiger Pflanzenfresser und anmutiger Raubtiere, die oft an irdische Säugetiere, Insekten oder Saurier erinnern, aber mit gelungenen Farb- und Formenspielen das vermeintlich Bekannte fantastisch variieren. So wird aus unseren Hasen z.B. der Wolpertinger-artige Hasit. Die Erkundung der Welt fühlt sich dabei nicht ganz so frei und zusammenhängend an wie z.B. bei The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Die Sprünge zwischen manchen Arealen sind teilweise stark spürbar und manche Gebiete gerade im ersten Spieldrittel recht beengt. Dank überall versteckter Interaktionspunkte lohnt das Eintauchen in Aionios fantastische Flora und Fauna aber allemal. Hier wartet eine abgeworfene Versorgungskiste auf Bergung, dort können Noah und Mio ein paar Gefallenen den Weg weisen und dazwischen wandern besonders imposante Riesenviecher der Marke „Hoppala, den Riesenbladschare machen wir aber erst 50 Level später“. Manche Helden verleihen euch zudem zusätzliche Fortbewegungsarten wie das Erklettern violetter Ranken oder das Schlittern auf Drahtseilen, so dass es immer auch lohnt, zu einem anderen Zeitpunkt zurückzukehren. Später im Spiel werden die Gebiete dann immer weitläufiger. Eine belebte Stadt wartet auf abenteuerlustige Besucher und eine komplette Lagunenlandschaft nebst Inseln lädt zum Bootsausflug.

Kommentare

95 Kommentare

  1. Levi  hat geschrieben: 18.10.2022 10:28 Ich finds ja schade, dass sie nicht das "Experten" - System aus XBC-Deluxe übernommen haben, in dem du selbst am Level Schrauben kannst.
    Nach dem Durchspielen gibt es dieses Feature.
    Blöde Design-Entscheidung, denn gerade wenn man viel Questet hat man irgendwann keinen Progress für die Klassen, mangels Gegnern die keine Erfahrung liefern. Folglich können bestimmte Klassen dann bis Endgame nur die Klassenerben lernen, der Rest erst wenn man die Stufe wieder senkt.

  2. Das System gibt es, aber leider erst im NG+ :roll:
    Und ich bin auch ein Fan von "einfach mal alles wegrasieren", aber bei XC3 war das halt 80 % des Spiels so. Und das ist dann imo doch ein bisschen arg viel :D

  3. Ich finds ja schade, dass sie nicht das "Experten" - System aus XBC-Deluxe übernommen haben, in dem du selbst am Level Schrauben kannst.
    Umgedreht: ich liebe es auch mal irgendwie hoffnungslos Überlevelt zu sein :D

  4. Ganz so verkürzt würde ich das Kampfsystem auch nicht beschreiben, bei der Kritik mit den Bulletsponges würde ich aber zum Teil mitgehen. Der dritte Teil hat das Problem, dass Monolith komplett das LVL-Scaling verbaselt hat. Das ist mir so extrem aus den Vorgängern nicht in Erinnerung.
    Wenn man sich ein wenig mit dem optionalen Kram befasst ist man schon nach kurzer Zeit heillos überlevelt, und entsprechend trivial werden dann die Kämpfe gegen das 08/15 Kroppzeug. Und das ohne die Bonus-EXP aus Quests zu verteilen, die man wie im zweiten Teil erhält und in der Gaststätte verteilen konnte. Ich habe sicher 80% der Kämpfe auf Autokampf laufen lassen und nebenbei das Handy in der Hand gehabt.
    Als zugegeben extremer Gegenentwurf hat mir der Endboss von Kapitel 3, obwohl 8 LVL unter mir, ordentlich den Hosenboden langgezogen.
    Die Kämpfe kann man taktisch angehen und hat auch einiges an Möglichkeiten. Man braucht sie nur häufig nicht.

  5. Der fairness halber: ja. Das Kampfsystem ist inspiriert von alten mmorpgs.
    Kein wirklicher Action Anteil (nur ein wenig Positionierung im Verhältnis zum Gegner und lokal eingegrenzte buffs. Sowie Timing Späße beim auslösen der Skills)
    Relativ viel "Anger Management". (in drei gefühlt nochmal besonders).
    Abwägen von unterschiedlichen Attacken: Schnell mehr Schaden, oder doch lieber eine Leiste für Specials füllen. (wovon es quasi zwei gibt, die dann wiederum selbst subsysteme mitbringen)

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