Veröffentlicht inTests

Yakuza 3 (Action-Adventure) – Yakuza 3

Wenn Schultern wie Stahlträger mit einem einzigen Ruck ihre Nadelstreifenjacken vom Leib reißen. Wenn die Kamera mit der ungenierten Bewunderung eines 14-jährigen Comicfans um tätowierte Rücken schleicht. Wenn rockige Gitarren zum Angriff blasen. Wenn die Kämpfer endlich wie Wölfe aufeinander losgehen – dann schlagen Tokios Yakuza wieder mit aller Kraft zu. Kein Spiel versteht das dramatische Luftholen in verrauchten Kneipen und die ehrenhafte Verbeugung verbitterter Erzfeinde besser als Segas Unterwelt-Saga!

©

Schlimmer noch: In der lokalisierten Version sprechen mich irgendwelche Frauen in einem Schnellimbiss an, ob sie mit mir ausgehen können. Das mache ich prompt – zweimal, um genau zu sein – dann erledige ich noch einen Auftrag für diese „Schatten“ der japanischen Hostessen und schon habe ich ihr Herz erobert. Verdammt, Sega, verdammt! Ich weiß, dass sich eure Serie in westlichen Breiten bisher so gut verkauft hat wie Weihnachtsbäume zu Pfingstsonntag. Ich weiß auch, dass die Lokalisierung eines so textaufwändigen Spiels teuer ist. Aber waren wir wenigen Fans euch nicht ein paar tausend Dollar mehr wert? Warum darf ich kein Shogi spielen, dessen Regelwerk ich mir im Vorgänger mühsam aber gerne

„Viel zu tun“ beschreibt nicht einmal ansatzweise, was Kazuma in Tokio erwartet!

angeeignet habe? Man hätte es ähnlich wie damals nicht einmal übersetzen müssen. 

Das Abenteuer in der Unterwelt

Wäre Yakuza 3 ein lauer Aufguss – der Schaden wäre verschmerzbar. Aber auch wenn es im Grunde nur alle Elemente der Vorgänger ins HD-Zeitalter hebt: Yakuza 3 ist ein riesiger, detailverliebter Abenteuerspielplatz. Es ist eine Sammlung vieler kleiner und großer Geschichten. Es ist die ereignisreiche Vorstellung dessen, was Tokios berühmt-berüchtigte Vergnügungsoase in den Köpfen erwachsener Spielkinder alles sein könnte. Und zwar trotz aller Kürzungen! Sega macht es nämlich richtig: Anstatt Kazuma durch eine komplette Stadt zu hetzen, in der es sowieso kaum etwas zu erleben gibt, ist er nur in einem abgegrenzten Viertel unterwegs – wo dafür aber Casinos, Bars, Second Hand-Läden, Restaurants, Bowling-Bahnen und, und, und beinahe Tür an Tür stehen. Neben Shenmues Hong Kong ist dieses Tokio deshalb die bisher lebendigste virtuelle Stadt!

Tatsächlich erinnert diesmal noch mehr an Suzukis Klassiker, weil der Blick aufs Geschehen von der Vogelperspektive in den Schulterblick wechselt. Zum ersten Mal bin ich deshalb mittendrin, wenn Kazuma über weite Straßen, enge Gassen und schmutzige Hinterhöfe schlendert. Besonders in dem ruhigen Okinawa mit seinen einfachen, niedrigen Häusern wurde mir richtig warm ums Herz. Hier durfte ich mich auch in einem der neuen Minispiele ausprobieren: Weil sich Kazuma das Vertrauen eines Politikers erschleichen wollte, begleitet er ihn auf einen Golfplatz, wo die beiden zwischen den Fairways ein paar Worte wechseln. Später durfte ich natürlich jederzeit erneut auf den Golfplatz, der wie alle Minispiele natürlich 

keine Alternative zu einer Sportsimulation, aber eine knifflige, liebevoll gemachte Punktejagd für die spielinterne Highscoreliste ist. So kann Kazuma neuerdings auch Angeln gehen,

daddelt im Club Sega mit einem spielerisch mittelprächtigen aber totschicken Arcade-Shooter, wirft Darts, spielt Billard oder singt Karaoke.

Blöde Anmache: Immer wieder wird Kazuma von Kleinganoven belästigt.


Gangster mit Lernschwäche

Wenn man durch die Straßen streunt, muss man allerdings auch den Kopf schütteln. Denn einige lernen es offenbar nie. Zweimal hat Kazuma nun schon sein Viertel rauf und runter durchkämmt, zweimal wurde er dabei ständig von zufälligen Gangstern angerempelt und zum Kampf herausgefordert – und noch immer hat sich bei den Kleinganoven wohl nicht herumgesprochen, dass man einen Typ im grauen Anzug und roten Hemd besser in Ruhe lässt. Die Kerle kommen ja schon wieder ständig an! Am laufenden Band macht Katzuma solche Zufallsbekanntschaften, sackt nach jedem Sieg ein paar tausend Yen, Erfahrungspunkte und eine demütige Entschuldigung ein. Hier zeigt sich, wie sehr die Entwickler an der der altmodischen Struktur ihrer Saga hängen – mir soll’s recht sein. Nur etwas fordernder könnten die Zufallskämpfe sein. Ein Tipp für erfahrene Yakuza: Man kann den Schwierigkeitsgrad jetzt zu Beginn auf leicht, normal oder hart stellen. Bei Letzterem werden Prügeleien mit schweren Gegnern zwar zur echten Herausforderung; dafür fühlt man sich über weite Strecken nicht unterfordert.

Im Unterschied zu vorher erlebe ich diesmal außerdem einen nahtlosen Übergang vom Herumlaufen zu den Schlägereien. Greift mich ein Gauner an, sehe ich ohne Umblende, wie sich Passanten um uns Streithähne sammeln – dann geht es sofort los. Eine kleine akustische Unterbrechung sowie aus dem Nichts auftauchende Passenten lassen zwar die fehlende Ladepause durchschimmern, aber das ist verschmerzbar. Zumal sich auch die Kämpfe entwickelt haben. Immerhin kann ich jetzt per Digikreuz jederzeit zwischen Kazumas Fäusten und drei Waffen wechseln, wobei ich nach wie vor auch Parkbänke, Fahrräder, Pylonen, Stühle oder andere Gegenstände aufnehmen und damit zuschlagen kann.       

Kommentare

Kommentare

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.